Backpacking Selbsterfahrung Trenderscheinung

Backpacking: Selbsterfahrung oder Trenderscheinung?

Von Charlott Friederich

Große und doch eher unkleidsame Rucksäcke mit unzähligen Funktionen sind zum Trend geworden, das Backpacker-Dasein zu DER neuen Reisekultur. Woher kommt der Hype? Warum müssen es immer fernere Länder, wagemutigere Ziele und besonders schäbige Absteigen sein, in denen wir nächtigen? Warum zahlen wir einen Haufen Geld, um über Wochen oder Monate Kilos durch die Gegend zu schleppen, anstatt gemütlich in Kroatien am Strand zu liegen? Tun wir es für uns – wegen der kulturellen Erfahrung und dem Nervenkitzel – oder laufen wir einem Trend hinterher?

Alles ist bereit: Die Flugtickets und die Kopien von Visum, Pass und Bankkarten liegen neben ihren Originalen auf dem Tisch. Der Rucksack ist fünfmal umgepackt, die zehn T-Shirts und paar Unterhosen akribisch zusammengerollt und in einem Beutel in die für sie auserkorene Ecke gestopft. Dorthin passen sie am besten, neben die sauteure Outdoor-Jacke und das einzige Paar Sandalen, das danach so zerschlissen sein wird, dass es im nächsten Mülleimer an der Straßenecke landet, über den mickrigen Waschbeutel und - natürlich – neben das überdimensionale Emergency Kit.

 

„Wie soll ich mein Leben in dieses kleine Ding bekommen?“

 

Hier Hypothese Nummer eins: So gut wie jeder, der vor seiner ersten ernstgemeinten Rucksackreise steht – und damit ist nicht das Gap Year in Australien oder das Full Moon Party-Hopping in Thailand gemeint – wird sich fragen: „Wie um alles in der Welt soll ich mein Leben in dieses kleine Ding bekommen?“ So gut wie jeder wird, je näher der Abflug kommt, vielleicht sogar an der Entscheidung zweifeln, sich mit einem überdimensionalen Rucksack auf dem Rücken und bestenfalls mit einem Klappmesser bewaffnet, in ein ungewisses Abenteuer zu stürzen. Ich habe mir diese Gedanken gemacht. Allerdings erst, nachdem ich meine Ersparnisse geplündert, den Flug gebucht und auf Apotheken-Shoppingtour gegangen bin. Den Trip durch Äthiopien und Dschibuti haben zwei Freunde geplant. Sie waren von der Idee begeistert, unsere Clique auch. „Afrika mal richtig kennenlernen“ – “Hört sich gut an“, dachte ich und klinkte mich ein. Spontan und ohne mich groß zu fragen, ob mich das Land wirklich reizt. Es klang exotisch und ab der Norm, das reichte fürs Erste.

 

Hitze, Krämpfe und Klos ohne Spülung

 

Letztendlich war es großartig. Eine Grenzerfahrung, deren Lehren und Erinnerungen mich noch lange begleiten werden. Doch es hätte auch anders kommen können. Es hätte mir genauso gut nicht gefallen können. Und dann hätte ich gezweifelt: Warum das stundenlange Warten bei brüllender Hitze, wenn der Bus mal wieder eine Panne hat? Warum diese Krämpfe, wenn der Magen mit den ungewohnten Inhalten kämpft? Warum die schäbigen Absteigen und die Klos ohne Spülung? Bin ich nur einem Trend hinterhergelaufen, oder wollte ich das hier wirklich? Täglich sehen wir auf Facebook, Instagram, Snapchat und Co. atemberaubende Bilder von Freunden oder Wildfremden, die von beängstigend hohen Klippen springen, mit Haien und Riesenschildkröten tauchen, exotische Speisen mit den Händen essen, oder von einem Pulk farbiger Kinder umringt, ihre Finger zum Peace-Zeichen in die Kamera strecken. Diese Ausschnitte, die wir in die Welt schicken, sind vor Ort meist nur kurze Momentaufnahmen, doch es hagelt Likes, unsere Eltern zeigen sie stolz ihren Freunden und das hippe Image des „Weltenbummlers“ oder abenteuerlichen Kosmopoliten ist geschaffen.

 

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