Idomeni Flüchtlingscamp Flüchtlingshilfe

Ein hoffnungsloser Teufelskreis: Das Leben in Idomeni

Es ist ein Ort, an dem die Zeit irgendwann keinerlei Bedeutung mehr hat: Minuten werden zu Stunden, Tage zu Jahren. Das Leben unter freiem Himmel gleicht plötzlich einem Gefängnis, wird zum endlosen Teufelskreis des Wartens, der einem die eigene Ausweglosigkeit früher oder später zwangsläufig vor Augen führt. Ob Calais, Melilla oder Traiskirchen: Es gibt viele Orte, die von jener Hoffnungslosigkeit bestimmt sind. Und doch wird sie an kaum einem so greifbar wie in Idomeni.

Das kleine, griechische Dorf mit seinen 309 Einwohnern liegt direkt an der Grenze zu Mazedonien und beherbergt aktuell tausende Flüchtlinge. Die Asylsuchenden kamen ursprünglich aus Afghanistan, dem Irak und Syrien, um über die Balkanroute nach Deutschland zu fliehen. Mittlerweile werden nur noch Syrer nach Griechenland gelassen – doch auch für sie ist in Idomeni seit der mazedonischen Grenzschließung Endstation. Seitdem müssen sie wohl oder übel ausharren. Direkt am Grenzzaun haben circa zehntausend Flüchtlinge ihre Zelte aufgeschlagen, um die viertausend weitere Flüchtlinge haben sich rund um Autobahnraststätten angesiedelt, übernachten in ausrangierten Zugabteilen oder alten, verfallenen Gebäuden.

„Sie hoffen noch immer. Doch die Hoffnung weicht immer mehr der Resignation“, erzählt der Volunteer Sebastian im ZEITjUNG-Interview. Der 25-Jährige Non-Profit-Management-Student lebt seit mittlerweile zwei Monaten in Idomeni und engagiert sich als ehrenamtlicher Helfer der Organisation IHA auf den ansässigen Camps. Zuvor war er auf dem Balkan und in Frankreich unterwegs und gab uns bereits vor einigen Wochen eine Einschätzung der extremen Zuständen in Calais.

 

„Von Hygiene kann keine Rede sein“

 

Die französische Stadt war geprägt von der gleichen Aussichts- und Hilflosigkeit und denselben, unterirdischen Hygienebedingungen wie Idomeni. „Von Hygiene kann hier keine Rede sein“, meint Sebastian. Der Albtraum eines jeden Reinheitsliebenden wird hier zur bitteren Realität: Mit Alubüchsen kochen sich die Flüchtlinge das Wasser auf dem Feuer, weil es nicht genug Duschen und kein warmes Wasser gibt. Aus demselben Grund können Mütter ihre neugeborenen Babys nicht waschen.

Während der „Dschungel“ von Calais mittlerweile geräumt wurde, bleibt die Situation in Idomeni seit Monaten unverändert. Auch deshalb erreichen uns immer wieder neue Schreckensnachrichten: Kinder, die im dreckigen Abwasser der Sanitäranlagen spielen oder Männer, die sich aus Protest anzünden.

Doch die Grenze bleibt geschlossen. „Ich bin überzeugt davon, dass die permanente Ratlosigkeit und Desillusionierung etwas in den Menschen auslöst“, meint Sebastian. „Wenn ich wochenlang nur dasitze und in mein Feuer starre, würde ich auch verrückt werden.“ Gewalteskalationen sind in Idomeni deshalb schon lange keine Seltenheit mehr. Vor allem wenn Dorfbewohner ins Camp kommen, um Kleidung oder Essen vorbeizubringen, kann das böse Folgen haben. „Gut gemeinte Hilfe von außen bringt meistens eher nichts, weil die Flüchtlinge sich am Ende um die Sachen streiten. In Idomeni funktioniert nur organisierte Hilfe, bei jedem Projekt müssen Kleinigkeiten beachtet werden.“