Ein hoffnungsloser Teufelskreis: Das Leben in Idomeni
Massenanstürme werden mit roher Gewalt bekämpft
Die größte Gewalteskalation erlebte Sebastian vor ein paar Wochen, als hunderte Flüchtlinge versuchten, die Grenze zu überwinden. Der Massenansturm wurde mit roher Gewalt, Gummigeschossen und Tränengas abgewehrt und hinterließ ein Meer aus Verletzten.
„Es ist schlimm genug, dass die Grenze geschlossen bleibt. Aber wenn einem dann noch offensiv Geschosse entgegen fliegen, die Grenze also verteidigt wird, ist es noch bitterer“, erklärt Sebastian. Seit dem gescheiterten Befreiungsschlag haben sich die Bedingungen auf dem Camp enorm verschärft. Auch die Volunteers leiden unter verstärkten Polizeirepressionen: „Vorher konnten wir uns auf dem Camp frei bewegen. Doch jetzt werden wir wegen den fadenscheinigsten Gründen verhaftet und verbringen den Tag schlimmstenfalls im Gefängnis, anstatt zu arbeiten“, erzählt er.
Damit wollen die Polizisten vor allem den Refugees das Leben erschweren: Es soll ihnen so schlecht gehen, dass sie lieber in die umliegenden Militärcamps ziehen, als direkt am Grenzzaun auszuharren. Doch die Flüchtlinge ziehen den Grenzzaun den vom Militär verwalteten Camps vor: Nicht zuletzt, weil Volunteers und Hilfsorganisationen zu diesen kaum Zugang haben. „Außerdem glauben sie noch immer, dass die Grenze sich irgendwann öffnen wird. Aber je länger sie warten, desto angespannter wird die Situation“, erzählt Sebastian.
Der 25-Jährige hat mittlerweile zu vielen Flüchtlingen eine enge Bindung aufgebaut und hört Lebensgeschichten, die ihn immer wieder aufs Neue erschüttern und berühren: Die Erzählungen einer 30-jährige Mutter zum Beispiel, die mit ihren Kindern allein in Idomeni sitzt, weil der Vater die Reise nach Deutschland schon ein wenig früher angetreten ist. Es gibt sie hundertfach, gezwungenermaßen getrennte Paare und Kinder, die ohne beide Elternteile aufwachsen müssen – sie sind das Ergebnis absurdester, politischer Bedingungen.
Eine Schule mitten im Flüchtlings-Brennpunkt
Vor allem die rund 7000 Kinder hoffen auf das bessere Leben, das ihnen während der langen Flucht immer wieder versprochen wurde. Ihre aktuelle Situation ist nämlich vor allem eins: menschenunwürdig. Ja die Flüchtlinge können überleben – die medizinische Betreuung sowie Nahrungsversorgung ist Sebastian zufolge zwar nicht gut, aber ausreichend. Doch zwischen Überleben und Leben liegt ein meilenweiter Unterschied. Niemand weiß das besser als die freiwilligen Helfer vor Ort. Um den Flüchtlingen ihre aussichtslose Lage also zumindest ein bisschen erträglicher zu gestalten eröffnen Sebastian und ein paar Kollegen das „Idomeni Cultural Center“: „Es gab hier seit einiger Zeit eine Art Bespaßungszelt für Kinder. Aber ich wusste, dass auch viele junge Erwachsene endlich mal wieder etwas tun wollten außer warten – zum Beispiel ihren Kopf benutzen. Da ist uns die Idee mit der Schule gekommen.“ Es war ein hartes Stück Arbeit mit vielen Höhen und Tiefen – doch am Ende stand auf einem der naheliegenden Felder tatsächlich das erste Schulzelt.