Hört auf, an eurem Körper herumzunörgeln!
Von Simone Mauer
Der Körper – schön, aufregend, manchmal auch weniger schön und teilweise sogar ein bisschen ekelhaft. Ein Gebilde aus Blut, Haut und Knochen und jeder Menge anderem harten oder eher weichem, labbrigen Gedöns, das sich zu einer aufrechten Gestalt zusammensetzt. Der Körper ist ein gut funktionierendes System, vorausgesetzt, er ist gesund und nicht kurz vor dem Ableben. Er vermag daher wahre Wunderwerke zu vollbringen: Nahrung in Energie umwandeln, diese Energie in Bewegung umwandeln, welche wiederum auch wieder zu Energie werden könnte. Ein abgefahrenes Gerät! Eigentlich Grund genug, um ihn jeden Morgen ziemlich abzufeiern: „Hey, danke Körper, dass du dieses Schoko-Croissant, das ich gerade in mich reinschiebe, so verwertest, dass ich genügend Energie habe, um gleich mit meinem Rad an den See zu fahren. Du bist awesome! I love you!“ Tja, das wäre doch eigentlich angebracht, oder? Was machen die Menschen stattdessen? Sie beschweren sich über ihren Körper. Der Bauch zu dick, die Oberarme nicht trainiert genug, die Ohren zu groß und dieser riesige Leberfleck am Kinn nervt eh schon seit Ewigkeiten…Und so weiter und so fort.
„Habe gerade ein Stück meiner Plazenta gegessen. War gar nicht schlimm.“
Wie abgefahren der menschliche Körper wirklich ist und welche aufregenden Funktionen er erfüllen kann, wurde mir erst so richtig bewusst, als Freundinnen von mir Kinder bekommen haben. Angebracht wäre eigentlich zu sagen: Ihr Körper hat ein Kind erschaffen und produziert jetzt sogar autark Nahrung für Selbiges. Hört sich gleich ganz anders an, was?
Klar, jeder weiß wie das im Groben funktioniert, aber welche interessanten Begleiterscheinungen mit so einer Schwangerschaft und Geburt einhergehen, war mir neu und hat mir als Person, die noch keine Kinder hat, in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Ein etwas verstörendes, jedoch recht lehrreiches Beispiel ist folgendes: Eines schönen Tages bekomme ich diese Nachricht in meiner Whatsapp-Gruppe: „Habe gerade ein erbsengroßes Stück meiner Plazenta gegessen. War gar nicht schlimm, hab es einfach in meinem Brötchen versteckt.“ Kurz zur Erklärung: Dies soll bewirken, dass durch die in der Plazenta enthaltenen Hormone keine depressive Verstimmung nach der Geburt auftritt und auch der Milcheinschuss nicht so schmerzhaft ist. Tja…. solche Nachrichten fallen in meinem Freundeskreis mittlerweile einfach so vom Himmel und sind für Personen, die selbst noch keinen Menschen erschaffen haben und zudem kaum wissen, was eine Plazenta ist, zugebenermaßen ein klein wenig verstörend.
Soll da unten lieber ein Cupcake rumschwimmen?
In solchen Momenten wird mir wieder knallhart bewusst, wie groß das Wissen von Müttern und Nicht-Müttern über den eigenen Körper auseinanderklaffen kann. Die Mamis wissen, wofür die ganzen labbrigen Eingeweide da sind, ich nicht. Irgendwie interessiert es mich auch nicht besonders. Ich schenke meinen weiblichen Reproduktionsorganen extrem wenig Beachtung. Zu checken, ob ich mittlerweile mehr Cellulitis habe als noch vor fünf Jahren, beschäftigt mich dagegen schon.
Ich habe einer Freundin, die mit Schwangerschaften bisher auch wenig am Hut hatte, von dem Plazenta-Snack erzählt und auch sie war sich nicht hundertprozentig darüber im Klaren, was eine Plazenta ist und wofür sie gebraucht wird. Also hat sie nachgegoogelt und ein paar nette Bilder von blutigen Plazenten erhalten. Diese Fotos waren zu viel des Guten – sie ließ fast ihr Handy auf den Boden fallen und bekam sich vor Ekel nicht mehr ein.
Tatsächlich war sie ein bisschen sauer auf mich, da ich sie mit zugegeben etwas unappetitlichen menschlichen Auswüchsen konfrontiert habe, die jedoch eines Tages auch Teil ihres Körpers sein könnten. Und auch hier wieder der Hinweis: Es muss nicht alles am oder im Körper wahnsinnig schön aussehen! Eine Plazenta hat einen Sinn und Zweck, sie ernährt ein Kind im Mutterleib. Oder soll da ein schöner glitzernder rosa Cupcake in der Gebärmutter rumschwimmen, von dem das Baby groß und stark werden kann?
Hört auf, an euch rumzunörgeln!
Der arme Körper wird halt gerne zum Objekt gemacht und nicht als ernstzunehmender Akteur wahrgenommen, der jeden Tag seine Leistung erbringt. Außer er macht mal nicht so, wie er soll, dann ist natürlich gleich die Hölle los. Es ist schwer, sich das als gesunder, junger Mensch immer wieder bewusst zu machen und dem Körper die Rolle zuzuschreiben, die er eigentlich hat: Er bringt dich durchs Leben, er erhält dich am Leben, wenn er mal nicht mehr ist, ist es höchstwahrscheinlich auch mit deiner Nörgelei über ihn vorbei. Er macht das, was dein Geist ihm abverlangt, mal mehr und mal weniger gut. Es gibt leider viele Menschen, die ihren Körper nicht annehmen oder ihn sogar selbst als hässlich oder ungenügend bezeichnen. Ihn sogar freiwillig unters Messer legen und diesen Körper, der ihnen jeden Tag ein treuer Diener ist, mit Absicht verletzen und aufschneiden lassen und ihn so einem unnötigen Risiko aussetzen. Habt ihr jemals euren Geist oder euren Verstand als hässlich bezeichnet? Strebt ihr da mit der gleichen Leidenschaft Perfektion an, die ihr eurem Körper abverlangt? Nein, oder? Da kann man ja auch keine so große Produktpalette zur Selbstoptimierung anbieten. Jaja, die Werbung und die Medien sind Schuld und so weiter…
Kann sein, aber dann muss man eben am eigenen Verstand arbeiten. Also, seid gut zu eurem Körper, habt ihn ein bisschen lieb! Oder würdet ihr gerne so ’nen anspruchsvollen, stressigen Job erledigen, wenn man dafür nur Nörgelei erntet?