Alkohol gehört für viele junge Menschen einfach dazu

Alkohol und junge Leute: Nüchtern ist langweilig?

Alkohol gehört für viele Menschen dazu. Völlig okay. Solange, bis sie anfangen, ihn auch anderen aufzudrängen. Ein paar Gedanken zu dem Alkoholkonsum der jungen Generation.

In der Nacht kurz den Tag vergessen, das Gefühl haben zu schweben und endlich ehrlich lachen können: Das ist die Macht des Alkohols. Fast jeder erinnert sich doch gerne an diese eine Nacht, in der man betrunken durch die Straßen tanzte oder diese eine dumme Idee, die dann doch irgendwie zu einer guten Geschichte wurde. Alles Dinge, die ich auch liebe und gerne mache. Vor allem früher gerne gemacht habe. Da gibt es aber etwas an Alkohol, was mich stört.

Mich stört, dass man immer mitmachen muss. Es gibt Tage, an denen ich keine Lust habe zu trinken. Und das ist immer ein Problem. „Wieso?“, fragen dann die anderen. Und ich frage mich, wieso ich darauf eine Antwort haben muss. „Das ist doch sonst langweilig“, sagen sie dann. „Erst fand ich dich komisch“, meinte eine Kommilitonin einmal zu mir. Als ich sie fragte, wieso, meinte sie, dass ich am ersten Abend nicht getrunken hätte. Ich bekomme das bis heute nicht aus dem Kopf. Wie kann der Alkoholkonsum anderer Menschen so ein Maßstab für Dinge sein, mit denen er nichts zu tun hat?

Alkoholkonsum bei jungen Menschen zurückgegangen

Vielleicht treibe ich mich auch einfach in den falschen Kreisen herum. Denn wenn man sich die Zahlen mal so ansieht, ist der Alkoholkonsum bei Jugendlichen auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen gesunken. Auch bei den jungen Erwachsenen ist der Trend rückläufig. Das ergab eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 8,7 Prozent der Jugendlichen tranken im Jahr 2021 nach eigenen Angaben mindestens einmal pro Woche Alkohol. Häufige Anlässe für Alkoholkonsum sind Bewältigungsmotive oder soziale Motive.

Alkohol und Spaß: Das gehört für viele zusammen. Und ich glaube, dass da das Problem beginnt. Ich muss oft an ein Erlebnis denken, als ich mit einem Freund unterwegs war. Wir sind an einem Spielplatz vorbei gegangen und ich wollte Seilbahn fahren. Einfach, weil es lustig ist. Er wollte nicht. Einfach, weil es ihm peinlich war. Ein paar Tage später waren wir im Park, haben davor etwas getrunken. Alle wollten Seilbahn fahren – auch er. Weil es ja so lustig ist, wenn man betrunken ist und Sachen macht, die man sonst nicht tun würde. Wenn ich nüchtern Dinge tue, sind sie also peinlich. Wenn ich dasselbe betrunken mache, ist es lustig. Und wenn ich es nüchtern mache, während die anderen betrunken sind, bin ich langweilig? Ein anderes Mal war ich im Club mit ein paar Bekannten. Ich habe an dem Abend nichts getrunken. Die anderen haben mir das am nächsten Morgen nicht geglaubt, denn ich hätte ja getanzt und wäre so gut drauf gewesen. Als ob das nüchtern nicht möglich gewesen wäre. Schockiert war ich auch, als ich nach einem neuen WG-Zimmer gesucht habe. Jedes zweite Inserat hat explizit nach Mitbewohner*innen gesucht, die Alkohol trinken.

Alkohol und Gesundheit

Ich trinke gerne ab und zu, mal mehr und mal weniger. Oft viele Wochen auch gar nicht. Manchmal ist mir einfach nicht danach, manchmal habe ich keine Lust auf einen Kater oder mein betrunkenes Ich. Eine große Rolle spielt für mich aber auch die Gesundheit. Nach Schätzungen des Deutschen Krebsforschungszentrums erkranken jährlich 20.000 Menschen aufgrund ihres Alkoholkonsums an Krebs. Alkohol hat vor allem Einfluss auf Darm-, Mund-, Rachen-, Leber-, Speiseröhren- und Brustkrebs. Aber auch an andere Krankheiten und psychische Störungen ist der Alkohol oft nicht ganz unbeteiligt. Aber eigentlich sind meine Motive auch egal, denn ich muss mich ja nicht rechtfertigen. Auch, wenn ich oft das Gefühl habe.

Deswegen hoffe ich, dass sich an der Einstellung, dass man ohne Alkohol keinen Spaß haben kann, bald etwas ändert. Dass sich die Leute vielleicht erst einmal selbst hinterfragen, bevor sie andere für ihren nicht vorhandenen Alkoholkonsum verurteilen. Denn langweilig ist, wer langweiliges tut. Nicht, wer keinen Alkohol trinkt.

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Bildquelle: Edward Eyer von Pexels; CC0-Lizenz