Menschen stoßen mit Bierflaschen an

Alkohol: Die Volksdroge der Deutschen

Wenn es um das Thema Drogen geht, denken die meisten Menschen sofort an Cannabis, Pillen, Ecstasy oder Kokain. Ein Wort hat hingegen meist niemand auf dem Schirm: Alkohol. Dabei sind Sekt, Bier, Schnaps und Co. weitaus gefährlicher, als man zunächst annimmt – und werden in Deutschland leider viel zu sehr normalisiert. Anlässlich des Anti-Drogen-Tags am 26. Juni wollen wir die gesellschaftliche Rolle des verhängnisvollen Stoffes genauer beleuchten.

Alkoholkonsum? Völlig normal!

Knapp 11 Liter reinen Alkohol nimmt jede*r Deutsche über 15 Jahren in 12 Monaten zu sich – aufgeteilt auf etwa 100 Liter Bier, 24 Liter Wein, dreieinhalb Liter Schaumwein und 5,4 Liter Spirituosen. Drei Millionen Bundesbürger*innen leiden an alkoholbezogenen Störungen (Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit), 12,6 Prozent trinken so viel, dass sie ihre Gesundheit damit langfristig gefährden. Nahezu jede*r junge Erwachsene hat dramatische Storys rund um Alkohol auf Lager: Von „ganz normaler“ Kotzerei und Filmrissen bis hin zu Magenspülungen, Bewusstlosigkeit und Fahrten im Krankenwagen. Zwar hat der Alkoholkonsum in den letzten Jahren und Jahrzehnten leicht abgenommen, er spielt in der deutschen Gesellschaft jedoch noch immer eine wichtige Rolle. Doch wie kam es dazu, dass Alkohol sich in unserer Kultur als „Mainstream-Droge“ etablierte, die bei nahezu allen Feierlichkeiten und Anlässen fester Bestandteil ist? Was hat es auf sich mit dem Mythos „Feierabendbier“, und wieso sind Werbungen für Bier und Schnaps noch immer erlaubt, während sie für Tabak stark eingeschränkt und für andere gefährliche Stoffe undenkbar sind?

Alkohol hat in vielen Ländern der Welt eine lange Tradition: Schon in der Steinzeit wussten Menschen um die betäubende Wirkung von vergorenem Obst, im Mittelalter war Bier aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Früh wurde auch deutlich, welche Gefahren der Alkoholkonsum mit sich bringen kann. Seit dem Zeitalter der Industrialisierung versuchten Initiativen und Vereine daher, den Menschen das Trinken mithilfe von Kampagnen und Werbesprüchen auszureden. Zu einer gänzlichen Prohibition kam es jedoch nur in einzelnen Staaten, beispielsweise in den USA, wo die Herstellung, der Transport sowie der Verkauf von Alkohol zwischen 1920 und 1933 verboten wurde. Deutschland hingegen setzte auf vergleichsweise lockere Regelungen wie die Einführung des Jugendschutzgesetztes oder der Promilleobergrenze im Straßenverkehr.

Die Sonderrolle alkoholischer Getränke resultiert vor allem daher, dass sie in Deutschland neben Zigaretten, Zigarren und Co. die einzige legale Droge sind. Dadurch ist die Normalisierung von Alkohol allerdings noch lange nicht gerechtfertigt – außer, man bezieht sich auf das legendäre Zitat der ehemaligen Drogenbeauftragten Marlene Mortler: Cannabis ist verboten, weil es illegal ist. Gut, das ist Alkohol nicht – deutlich gefährlicher ist er aber dennoch. Obwohl das Rauchen von Gras ebenfalls drastische Auswirkungen auf den psychischen Zustand vor allem jüngerer Konsument*innen haben kann, ist durch Cannabiskonsum bisher noch niemand gestorben. Zum Vergleich: Alkoholkonsum fordert weltweit jährlich drei Millionen Menschenleben – alle 12 Sekunden gibt es einen Todesfall.

Der wahre Grund, warum Alkoholkonsum trotz derartig erschreckender Zahlen noch immer als Normalität gilt und bereits 14-Jährige im Beisein ihrer Erziehungsberechtigten zu Bier greifen dürfen, liegt wieder einmal beim Geld. 2,24 Milliarden Euro Einnahmen verzeichnete der deutsche Staat im Jahr 2020 aus Bier-, Schaumwein- und Spirituosensteuern – ein nettes Nebeneinkommen, auf das der Fiskus scheinbar ungern verzichten würde. Autorin Lena Papasabbas kritisierte im Interview mit Business Insider, dass sich die Politik zu sehr von wirtschaftlichen Kalkülen leiten ließe. Die Entscheidungen in der Drogenpolitik würden nahezu mittelalterliche Züge annehmen, so die Zukunftsforscherin. Scheinbar ist es einfach typisch deutsch, bestehende Normen möglichst selten zu hinterfragen und am liebsten alles so zu belassen, wie es eben ist. Wir haben schon Jahrhunderte lang Alkohol getrunken – warum also sollten wir es jetzt lassen? Wie man unschwer erkennen kann, gibt es dafür eine ganze Menge Gründe.