Alkoholiker sein ist trendy: Wie Alkoholkonsum im Reality-TV normalisiert wird

Reality-TV-Shows erfreuen sich seit geraumer Zeit großer Beliebtheit. Immer wieder erscheinen neue Formate, die ihre Vorgänger an Eigenartigkeit toppen. Eins haben fast alle diese Shows gemeinsam: Es wird in so gut wie jeder Szene ein alkoholisches Getränk getrunken. Aber wie gravierend ist die Normalisierung und Verherrlichung von Alkoholkonsum in Reality-TV-Formaten wirklich?

Disclaimer: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Meinungsbeitrag, der subjektive Standpunkte der Autorin enthält.

Die Verbreitung von Alkoholkonsum im Reality-TV

Egal ob bei tiefgründigen Gesprächen, Plauderrunden oder Chillen am Pool: In jeder Szene halten die Protagonist*innen ein Wein-, Whiskey- oder Sektglas in der Hand und im Hintergrund häufen sich die Flaschen, die mit Jim Beam, Malibu und Lillet gefüllt sind.

Eine Studie der Universität Nottingham hat insgesamt 5.129 Clips aus Reality-TV-Shows analysiert und festgestellt, dass Alkohol in 42 Prozent der Clips und in 100 Prozent aller analysierten vollständigen Episoden vorkam. Basierend auf den Ergebnissen der Studie behaupten die Forschenden, dass die Raten des Substanzkonsums in Reality-TV-Shows höher sind als in jeder anderen Art von Shows. Eine weitere kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass 79 Prozent der „Mahlzeiten“ in ungeskripteten Shows schlichtweg Getränke sind. Die gleiche Studie stellte auch heraus, dass in ungeskripteten Shows mehr weibliche Charaktere in alkoholhaltigen Umgebungen dargestellt werden als männliche.

Wie beeinflusst Alkohol im Fernsehen den Konsum?

Die Darstellungen von Alkoholkonsum durch Charaktere in Fernsehsendungen sowie alkoholbezogene Werbung haben einen großen Einfluss auf den Konsum der Zuschauer*innen. Dass Alkohol auch medial allgegenwärtig ist, erhöht die gesellschaftliche Akzeptanz des Konsums, löst Verlangen nach bestimmten Alkoholmarken aus und fördert sogar den anhaltenden oder erstmaligen Konsum.

Experimentelle Studie zum Thema

Die Radboud University Nijmegen in den Niederlanden führte eine experimentelle Studie zu diesem Thema durch. Die Ergebnisse zeigten einen direkten Zusammenhang zwischen der Exposition in Bezug auf alkoholische Darstellungen im Fernsehen und dem Alkoholkonsum der Zuschauer*innen. Für die Studie wurden zwei Gruppen von jeweils 20 männlichen Studenten rekrutiert. Ihnen wurden zwei Filme gezeigt – einer mit Alkohol und dem Prozess des Trinkens („American Pie“) und einer ohne („40 Days and 40 Nights“). Ein Kühlschrank mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken stand neben ihnen, aus dem sie ein beliebiges Getränk auswählen durften.

Die Gruppe, die „American Pie“ sah, der 23 alkoholische Szenen und alkoholische Werbung enthielt, konsumierte durchschnittlich bis zu 3 Flaschen Bier. Die Gruppe, die „40 Days and 40 Nights“ sah, konsumierte im Durchschnitt nur 1,5 Flaschen Bier. Diejenigen, die sowohl den alkoholischen Film als auch die Werbung sahen, tranken im Durchschnitt 1,5 Flaschen Bier mehr als diejenigen, die den alkoholfreien Film sahen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Person nach dem Ansehen eines Alkohol-Werbespots nicht nur Lust auf ein Bier hat, sondern auch direkt zum Kühlschrank geht und sich eins nimmt. Um es einfach auszudrücken: Wenn Menschen häufig Fernsehen schauen und häufig Alkoholdarstellungen ausgesetzt sind, trinken sie mit höherer Wahrscheinlichkeit.

Jugendliche stark betroffen

Es ist kein Geheimnis, dass die meisten jungen Menschen Trash-TV feiern. Egal ob „Temptation Island“, „Too Hot to Handle“ oder „Love is Blind“: Die Serien sind unterhaltsam und man braucht dafür keinen Intellekt. Aber gerade Jugendliche integrieren schnell das, was sie in Serien sehen, in ihren Alltag. Sie befinden sich in einer Phase der persönlichen und emotionalen Entwicklung, in der sie besonders anfällig für Einflüsse von außen sind. Wenn Alkoholkonsum in Reality-TV-Shows als normales Verhalten dargestellt wird, besteht die Gefahr, dass Jugendliche früher mit dem Trinken beginnen, ohne die Risiken und Konsequenzen angemessen zu verstehen. Das Gehirn von Jugendlichen befindet sich außerdem noch in der Entwicklung, insbesondere was die Bereiche betrifft, die für die Impulskontrolle, die Entscheidungsfindung und das Risikomanagement verantwortlich sind. Alkoholkonsum in dieser sensiblen Entwicklungsphase kann das Risiko für langfristige negative Auswirkungen auf die kognitive Funktion und das Verhaltensmuster erhöhen.

Verwendete Quellen:

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Bildquelle: Helena Lopes via Unsplash; CC0-Lizenz