Muenchen-Amoklauf-Smartphon

München und das Medienversagen: Von Social Media und Selbstdarstellung

Geprüft wurde allgemein wenig. Die Jagd war eröffnet. Allerdings weniger die Jagd nach der Wahrheit, als nach Schnelligkeit, Krassheit und Reichweite. Und genau hier hätten viele Medien einen so wichtigen Einfluss auf die Gesamtentwicklung nehmen können. Anstatt mit Sachlichkeit, Einordnung von Informationen und Ruhe auf die Zuschauer, Hörer, Leser einzuwirken, befeuerten sie die Angst und Panik in der Bevölkerung noch zusätzlich. N24 reportierte anschließend offenbar komplett ungeprüft alle aufrührenden Tweets über das Live-Programm, die mit dem Hashtag #muenchen einliefen. RTL präsentierte übereinstimmenden Schilderungen zufolge tatsächlich Bilder von Leichnamen seinen Zusehern. Nahezu alle Medien konfrontierten die Zuschauer mit dem Video des schießenden Amokläufers, ob sie auf so verstörende Bilder gefasst waren oder nicht. Doch einige waren ohnehin dem Bildmaterial, auch wegen Facebooks Autoplay-Funktion, bereits in den sozialen Netzwerken schon über den Weg gelaufen.

 

Sensationsgeile Gerüchteschlacht

 

Live-Ticker-Seiten, auch die der eigentlich sehr vertrauenswürdigen Medien, überschlugen sich mit einer Gerüchteschlacht und martialischen Formulierungen. Und sogar der DJS-Studenten-Blog Studio54 meinte nun, auf eigene Faust mit dem Smartphone bewaffnet Wild-West-Vor-Ort-Stories aus der Innenstadt liefern zu müssen. Selbstverständlich mit entsprechend sensationeller Social-Media-Begleitung. Die lieben Kollegen von Jetzt.de brachten noch in den Abendstunden eine dramatisch-gefährlich-herzzerreißende, final aber völlig inhaltsleere und aufgeblasene Flucht-Geschichte aus der Innenstadt. Eine ganze Herde an Gäulen war in Medien-München längst durchgedreht. Auch bei SAT.1 Bayern, die ein Foto aus dem OEZ twitterten. Dabei handelte es sich aber um ein Foto von einer Schießerei in Johannesburg 2015. Immerhin entschuldigte sich der Sender auf Twitter für den unglaublichen Fauxpas.