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Bayern – WTF?! Zwischen Heimat-Feeling und der CSU

Bayern ist schön. Bayern ist das Bundesland in Deutschland, in dem die Deutschen am liebsten Urlaub machen. Und auch, wenn man als Bayer meist zumindest a bisserl stolz auf sein Heimatland ist, muss man gerade auch konstatieren: Bayern ist hässlich. Denn was im Moment in Bayern abläuft, ist in demokratischen Maßstäben kaum noch in Worte zu fassen.

Die mit absoluter Mehrheit alleinregierende CSU hat zwei Gesetze auf den Weg gebracht, die an Obszönität kaum noch zu übertreffen sind. (Vielleicht in China, Russland oder Nordkorea…) Das erste, gegen das seit Monaten opponiert und derzeit auch demonstriert wird, ist das geplante „Polizeiaufgabengesetz“. Es soll regeln, was die Polizei ohne richterlichen Beschluss machen darf und was nicht. Das zweite ist das „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“, das erst vom Kabinett beschlossen wurde und nach heftigen Protesten jetzt doch abgemildert werden soll. Und, ach ja: die CSU will Kruzifixe in allen öffentlichen Gebäuden aufhängen, schließlich sind wir ja ein säkulares Land mit Religionsfreiheit und so.

 

Ach Bayern, Heimat. Wir könnten es so schön haben

 

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Man weiß kaum, wie einem derzeit geschieht, hier in Bayern, meiner Heimat, dem Streberbundesland, das doch immer und überall auf Nummer 1 sein muss und für diese Leistung einerseits bewundert, für die teils selbstgefällige Art, den ersten Platz überstolz vor sich herzutragen, aber auch nicht ganz zu Unrecht verachtet wird. Ist man als Bayer in Deutschland unterwegs, wird man mit genau dieser Mischung aus Mitleid, Bewunderung und pikiertem Augenverdrehen betrachtet. Jetzt möchte ich selbst mehr als die Augen verdrehen über dieses seltsame Land, das meine Heimat ist. Heimat. Dieses uraltmodische Wort, das in der CSU in Form von Horst Seehofer jetzt in Berlin ein eigenes Ministerium bekommen hat.

Für die Heimat – also Bayern – tut die CSU alles. Das ist zumindest die Eigenwahrnehmung. Zumal vor der im Herbst anstehenden Landtagswahl, bei der man unbedingt die AfD wieder auf den Standstreifen drängen möchte – die rechte Spur beansprucht man schon für sich selbst. Man kann – oder muss vielleicht sogar – deshalb zurzeit auch die Wahrnehmung haben, dass diese Heimat gerade böswillig von dieser CSU zerstört wird.

 

Das Polizeiaufgabengesetz sorgt für weniger Sicherheit

 

Das Polizeiaufgabengesetz will es der Polizei nämlich erlauben eine Unendlichkeitshaft einzuführen. Ohne richterlichen Prozess soll man einfach eingesperrt werden können. Was muss man sich dafür wohl zuschulden kommen lassen? Nichts. Es reicht, wenn eine „drohende Gefahr“ von der Polizei erkannt wird. Ein richterliches Urteil braucht es hingegen nicht, eine Straftat muss nicht nachgewiesen werden, denn es muss noch gar keine begangen worden sein. Halt, Stopp, das ist nicht ganz richtig: Es reicht zum Beispiel der Gedanke daran, einem Polizeiauto eine Kartoffel in den Auspuff stecken zu wollen, um sich unter diesem Gesetz strafbar zu machen, denn das ist eine drohende Gefahr für die Polizei und damit brandgefährlich. Um diese drohenden Gefahren zu bekämpfen, soll man künftig auch von bewaffneten Drohnen überwacht werden können. Es wird außerdem erlaubt, die Kommunikation nicht nur zu durchsuchen (Stichwort: Staatstrojaner), sondern auch zu verändern! Werden dann vor Gericht einmal E-Mails als Beweise herhalten müssen, die man gar nicht selbst so geschrieben hat? Was hat so eine Polizeibefugnis in einem Rechtsstaat zu suchen?

 

Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz kriminalisiert Patienten

 

Die CSU will auch in Sicherheitsfragen die Nummer 1 sein. Dabei schießt sie so weit über das Ziel hinaus, dass sie selbst zur Gefahr wird. Zur konkreten Gefahr für die Demokratie und den Rechtsstaat. Denn als wäre dieses hanebüchene Polizeigesetz noch nicht genug, hat man auch mal eben psychisch kranke Menschen wie Straftäter behandeln wollen. Nach einem enormen Proteststurm, der sich quer über Verbände, die Opposition, Bürger, Ärzte und Klinikpersonal erstreckte, zog man wenigstens die alleroffensichtlichsten Grundrechtsverstöße aus dem „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ zurück. Die zunächst geplante Datei, in der alle Menschen, die mal in einer psychiatrischen Klinik untergebracht waren, fünf Jahre inklusive ihrer Diagnose und des exakten Therapieverlaufs hätten gespeichert werden und der Polizei zur „Gefahrenabwehr“ (Subtext: Psychisch kranke Menschen sind gefährlich) offengestanden hätte, zum einen. Zum anderen wird darauf verzichtet, die Regeln des „Maßregelvollzugs“, der für Straftäter gedacht ist (also zum Beispiel Vergewaltiger, die während ihrer Freiheitsstrafe in der geschlossenen Psychiatrie eine Therapie machen), auf Menschen anzuwenden, die in eine akute Krise geraten sind oder die einfach eine Depression haben. Laut WHO haben übrigens weltweit 322 Millionen Menschen eine Depression, während es Krebskranke auf nur 35 Millionen bringen. In Deutschland wird die Zahl der Depressiven demnach auf 4,1 Millionen Menschen geschätzt, an Angststörungen leiden hierzulande 4,6 Millionen Menschen. Soll man sich vor diesen Menschen jetzt fürchten? Ich fürchte mich eher davor, dass in dem Gesetzentwurf nach wie vor steht, es könne – neben anderen Grundrechten – auch das Recht auf Leben „eingeschränkt“ werden.

 

Kriminalität gesunken, Angst geschürt und gestiegen

 

Diese Regierung scheint so besoffen zu sein von ihrer jahrelangen Angstmacherei vor Terror, „osteuropäischen Einbrecherbanden“ und „kriminellen Flüchtlingen“, dass sie sich mittlerweile vor den selbst geschürten Ängsten fürchtet und völlig irrational – um nicht zu sagen: irre – handelt. In Wirklichkeit sank die Zahl der registrierten Straftaten 2017 auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig stieg die Aufklärungsrate durch die Polizei. Und das alles mit den Gesetzen, die es jetzt schon gibt. Wozu werden dann noch immer noch strengere Gesetze braucht, wenn doch erwiesenermaßen die geltenden Gesetze und polizeilichen Rechte genügen, um die Kriminalität deutlich messbar zu senken?

 

Es ist ein Kreuz mit dem Kruzifix in Bayern

 

Kommen wir zum aktuell letzten Punkt: Was zum Teufel sollen jetzt die Kreuze in bayerischen Behörden verloren haben? Ein „klares Bekenntnis zu unserer bayerischen Identität und christlichen Werten“ nennt es der Ministerpräsident Markus Söder, diese Kruzifixe aufzuhängen. Es handele sich nicht um ein „rein religiöses“ Symbol. Aha. Das Kreuz, das Erkennungssymbol der Christen überhaupt, ist kein religiöses Symbol. Es ist die gleiche Nicht-Logik wie bei Bundesinnenminister Seehofer, der behauptet, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, die an ihn glaubenden Muslime aber schon.

 

Sich nicht alles gefallen lassen

 

Was soll man noch sagen? Man ist nicht machtlos. Dass sogar im „reaktionären“ Bayern die Menschen auf die Straße gehen, protestieren, sich organisieren und demonstrieren, dass sie nicht mit dieser Art der Politik einverstanden sind, dass Söder einen Shitstorm im Internet ernten, stimmt hoffnungsfroh. Die größte Macht hat man in der Wahlkabine. Man kann für Bayern nur hoffen, dass sich bei der Landtagswahl viele Menschen, die eigentlich dieser CSU nahestehen, bewusst werden, wie verrückt diese Partei mittlerweile geworden ist – und ihr Kreuz an einer anderen Stelle machen. Denn Bayern ist mehr als die diese Partei.

 

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Bildquelle: Ksusha via Flickr unter CC by-ND 2.0 Lizenz