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Cancel Culture: Wer hat recht?

Längst ist das Thema Cancel Culture nicht nur im US-amerikanischen Raum ein Thema. Auch in Deutschland ist es angekommen, wie der Fall von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer beweist, der mit einem Facebook-Post die Gemüter spaltet.

Palmer hatte in einem Beitrag im Zusammenhang mit dem früheren deutschen Nationalspieler Dennis Aogo, dessen Vater aus Nigeria stammt, das sogenannte N-Wort benutzt, eine in Deutschland früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Menschen mit schwarzer Hautfarbe. Die Konsequenz ist ein Ausschlussverfahren aus seiner Partei Bündnis 90/Die Grünen. Palmer selbst verstehe seinen Beitrag als „Satire“, würde ihn nach aktuellem Kenntnisstand aber nicht mehr posten. „Das war ein Riesenblödsinn, nachher ist man immer klüger“, sagte er in einer öffentlichen Zoom-Konferenz des Bamberger Wirtschaftsclubs. Sollte Aogo seine „satirische Bemerkung“ als beleidigend empfunden haben, würde er sich dafür entschuldigen. Zugleich tritt der Politiker eine viel weitreichendere Diskussion los und sieht sich selbst auch als Opfer. „Erst als ein einzelner Satz abfotografiert wurde und ohne Kontext auf Twitter zirkulierte, wurde der virtuelle Lynchmob aktiviert“, sagt er gegenüber der Zeit. Aus diesem Grund lehne er eine weitreichendere Entschuldigung ab.

„Die Entschuldigungsforderungen sind ja Teil der Empörungsrituale, mit denen versucht wird, Leute mundtot zu machen.“

Boris Palmer

Es gehe dabei um die sogenannte Cancel Culture, in der er eine echte Bedrohung für die offene Gesellschaft sehe. Löschen will Palmer seinen Kommentar bei Facebook deswegen auch nicht. 

Der Ursprung der Cancel Culture

Unter Cancel Culture (zu deutsch Absagekultur) versteht man allgemein gesagt die übermäßigen Bestrebungen, Personen, die beleidigende oder diskriminierende Aussagen bzw. Handlungen begangen haben, auszuschließen. 

„Der Ursprung ist in den Universitäten zu finden. Es begann mit der sogenannten ‚Affirmative Action‘, was eigentlich eine positive Angelegenheit gewesen ist. Es ging darum, ganz proaktiv benachteiligte Minderheiten in der Gesellschaft, aber vor allem an den Hochschulen zu fördern“, erklärt Professorin Ulrike Ackermann vom John Stuart Mill Institut in Heidelberg gegenüber alpha-demokratie.