Oft vergessen wir in einem neuen Raum, was wir hier überhaupt wollten

Der Türrahmen-Effekt: Warum wir Dinge plötzlich vergessen

Oft kommt es vor, dass wir von einem ins andere Zimmer gehen und plötzlich vergessen haben, was wir hier eigentlich wollten. Psycholog*innen sprechen hierbei vom sogenannten „Türrahmen-Effekt“.

Manchmal hat man das Gefühl, es gibt kein psychologisches Phänomen, was es nicht gibt. So ist es auch in diesem Fall. Dieser Moment, wenn man einen Raum betritt und im gleichen Moment schon wieder vergessen hat, was man sich dabei gedacht hat, wird tatsächlich wissenschaftlich erforscht. Aber was hat es damit auf sich? Woher kommt der Name? Und hat das Phänomen wirklich etwas mit einem Türrahmen zu tun?

Die Kapitel unserer Erinnerung

Das menschliche Gehirn ist ein kompliziertes Konstrukt. Wie es funktioniert, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Worin sich die meisten Wissenschaftler*innen jedoch einig sind: Unser Gehirn schreibt Erinnerungskapitel. Die Erlebnisse des Tages werden also nicht in einer chronologischen Abfolge strukturiert, sondern thematisch sortiert. Es müssen aber nicht immer bestimmte Themen sein, die einem Kapitel behandelt werden. Auch Räume können unsere Erinnerung strukturieren und das Kapitel – metaphorisch gesprochen – beenden.

Das fand eine Wissenschaftler*innengruppe von der University of Notre Dame in Indiana heraus. In einer Studie stellten sie fest, dass die Erinnerung tatsächlich nachlassen würde, sobald wir einen neuen Raum betreten. Die Türschwelle kann als Signal verstanden werden, mit einem neuen Kapitel zu beginnen. Wollen wir uns im neuen Raum an unsere Gedanken erinnern, haben wir sie nicht parat, sondern müssen zunächst im alten Kapitel suchen.

Räume als Merkhilfe

Die Logik der Räume kann uns auch als Merkhilfe dienen. Assoziieren wir Dinge mit bestimmten Orten, erinnern wir uns nämlich leichter an sie. Es soll helfen, sich einen sogenannten „Gedankenpalast“ zu bauen, um Informationen später besser abrufen zu können. Mehr dazu findet ihr hier.

Das Denken in Räumen lässt sich der Mnemotechnik zuordnen, einer Methode, die schon in der Antike weit verbreitet war. Immerhin mussten sich Cicero und Co. viele komplizierte Reden ganz ohne Spickzettel merken. In seinem Werk „De oratore“ beschreibt er, wie er während des Auswendiglernens gedanklich die Umgebung des Forum Romanums ablief.

Auch in der Psychotherapie wird der Effekt des Raumes angewandt. Menschen, die unter Zwangsgedanken oder starkem Grübeln leiden, sollen sich einen Raum heraussuchen, den sie zum Nachdenken nutzen und ihn dann bewusst wieder verlassen. Die Wirkkraft dieser Methode ist jedoch umstritten.

Puh, keine Demenz

Wenn wir mit einem Kleber in einen Raum gehen und dort dann nicht mehr wissen, was wir damit machen wollten, hat das also meistens schon einmal nichts mit unserer Gedächtnisleistung zu tun. Es ist ein erklärbares Phänomen, das jeden von uns ereilen kann. Können wir trotzdem etwas dagegen tun? Ja, sagt Diplom-Psychologin Dorothea Böhm. In einem Gespräch mit Radio Arabella rät sie: „Man muss dann wieder zurück ins andere Zimmer gehen – und zwar so weit, wie man diesen Gedanken gefasst hat, was man machen wollte. Sie müssen praktisch von dem Moment an, wo Sie gesagt haben: ‚Das brauch ich noch!‘ wieder anfangen. Man muss örtlich zurückgehen!“ Also, ab durch den Türrahmen!

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Bildquelle: Ankush Rathi von Pexels; CC0-Lizenz