E-Sport ist ein Teamspiel

Die spannendste Weltmeisterschaft 2022 ist nicht in Katar

32 Teams aus der ganzen Welt treffen aufeinander und liefern sich ein spannendes Kräftemessen. Monatelange Vorbereitung mit körperlichem und mentalem Training, sowie die akribische Gegneranalyse gehören für alle Mannschaften zum Pflichtprogramm. Die richtige Mischung aus Taktik, Flexibilität, Reaktion und Feingefühl wird letztlich über den Sieg entscheiden. Nun stellt sich die Frage, ob das Lob für die Fußball-WM an dieser Stelle nicht etwas überschwänglich ist. Und ja, das wäre es sicherlich, doch dreht sich diese Beschreibung in keiner Weise um die Fußball-WM. Die besten Weltmeisterschaften finden diesen Herbst nämlich nicht auf dem Rasen statt, sondern in der Welt des E-Sports.

„Das ist doch kein Sport!“ und „Da sind doch nur dicke Nerds!“ sind Klischees, die wie aus der Pistole geschossen kommen, sobald man das Wort „E-Sports“ auch nur in den Mund nimmt. Der E-Sports-Szene ist das Gerede egal und das kann es auch gut sein, denn man verbucht Rekorde bei Viewerzahlen und Preisgeldern. Viele Profisportler*innen können von 6-oder 7-stelligen Gewinnsummen nur träumen (spielen sie nicht gerade Fußball).

Die angesprochenen 32 Teams, begegnen sich aktuell nicht im Fußball, sondern im Online-Game PUBG (PlayerUnknown’s Battlegrounds). Insgesamt drei Wochen dauert das Event (PGC 2022) bei dem Spieler aus Brasilien, Thailand, Schweden, Kanada, China, Serbien, Australien und vielen weiteren Nationen gegeneinander antreten.

PUBG – Das Spielprinzip

In der Gruppenphase spielen, unterteilt in zwei Gruppen jeweils 16 Teams à 4 Spielern auf einer großen Online-Karte mit Seen, Flüssen, Bergen, Straßen und Städten gegeneinander. Das Spiel ist im Battle Royale Modus, dass heißt, das Team, welches am Ende überlebt gewinnt. Hierfür wird die spielbare Fläche auf der Karte immer kleiner. Während in der ersten Hälfte der 30-minütigen Partien hauptsächlich Waffen gesammelt werden und strategische Positionen eingenommen werden, ist die zweite Hälfte von intensiven Kämpfen um diese Positionen geprägt. Punkte gibt es für jeden eliminierten Gegner und für die Teams, die am längsten überleben.

Durch Zufallsfaktoren wird entschieden auf welchen Bereich der Karte sich das Spielfeld verkleinert und somit ist jede Partie einzigartig. Ein Hügel, der in einer Runde die stärkste Position in der Online-Welt darstellt, kann in der nächsten Runde den Tod für das ganze Team bedeuten. Die Ausgänge sind unvorhersehbar und trotzdem wird es manchem Vierer-Team gelingen durch besseres Teamplay und präzisere Schüsse über den Verlauf des Turniers sich an der Spitze der Tabelle zu etablieren. Diese Abwechslung und die internationale Player- und Fanbase machen PUBG sehr sehenswert, obwohl es nicht zu den ganz großen Spielenamen in der Gaming-Szene gehört.

Der freundliche brasilianische Hexenkessel

Ein weiteres Turnier, das beweist wie packend der E-Sport sein kann, ist die Weltmeisterschaft des 5vs.5-Ego-Shooters „Counter-Strike: Global Offensive“ (kurz CSGO) in Rio de Janeiro. Die brasilianischen Sportfans sind ja bekannt für ihre Leidenschaft und Partystimmung, doch beim E-Sports erwartet wohl niemand solch eine Atmosphäre:

Hier ist der Vergleich zur Fußball-WM wieder passend, denn die Gesänge auf den Rängen erinnern stark an ein Fußballstadion. Ob diese bei der WM in Katar überhaupt in einem solchen Ausmaß stattfinden werden, ist fraglich. Dennoch unterscheidet sich die Fankultur hier grundsätzlich vom Fußball, denn die Fans sind vor allem eins: friedlich und freundlich. Keine Pyrotechnik, keine Schlägereien, keine Anfeindungen zwischen unterschiedlichen Fangruppierungen. Das mag bei einem Ego-Shooter-Spiel wie CSGO vielleicht paradox klingen, doch das ist es keinesfalls. Das Töten in der digitalen Welt hat keinerlei Zusammenhang mit persönlichem Hass oder Gewaltfantasien, vor allem nicht unter den Profis. Es geht nicht darum seinen Gegenüber mit Gewalt zu erniedrigen, sondern darum ihn sportlich und taktisch zu dominieren, vergleichbar mit einem Kampf im Judo oder aber einer Partie Schach.

Kritik an den Fans in Rio gab es teilweise von den Gegner der brasilianischen Heimteams. Die Fans konnten dank der Zuschauerperspektive mit ihrem lautstarken Anfeuern die brasilianischen Spieler vor unerwarteten Gegnerpositionen warnen. Hierfür sollte man aber eher die Veranstaltern verantwortlich machen, dass dies aufgrund mangelnden Lärmschutzes möglich ist. Doch es scheint als wären selbst die Veranstalter überrascht, dass karnevalähnliche Verhältnisse in der Halle herrschen.

Große Auswirkungen hatten diese Momente des „Crowd-Cheatings“ aber nicht, denn es mussten sich bereits in der Gruppenphase zwei von drei brasilianischen Teams verabschieden. Wer mit einem deutschen E-Sports Team mitfiebern möchte, der kann den Berliner „BIG Clan“ verfolgen. Mit einer Mischung aus Erfahrung und Newcomer-Talenten konnten sie in den letzten Jahren immer wieder die Szene aufmischen. Auch bei diesem Turnier rechnen sich die Deutschen gute Chancen aus.

Dota 2 und LoL – Die E-Sports-Riesen

Die größten E-Sports Turniere fanden dieses Jahr aber bereits im Oktober statt. „The International 2022“ ist die WM für die Dota-2-Szene, bei der um voraussichtlich 40 Millionen US-Dollar (Preisgelder steigen aktuell durch Crowdfunding noch an) gespielt wurde. Dota 2 gilt als die prestigeträchtigste E-Sports-Disziplin und hatte während dem Finalspiel der „International“ bis zu 1,7 Millionen Zuschauer*innen. Getoppt wird diese Marke noch vom „2022 League of Legends World Championship“ (2022 LoL Worlds), das im Halbfinale über 2,2 Millionen Zuschauer*innen verbuchen konnten. Das Finale steigt am Sonntag den 6. November 2022 und wird weitere Rekordmarken knacken.

Ob PUBG, CSGO, Dota 2 oder LoL, E-Sports ist keine kleine nerdige Nische mehr sondern ein wachsender Weltsport. Höchste Zeit dafür Klischees hinter sich zu lassen und dem Sport mit Offenheit zu begegnen.

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Bildquelle: Alena Darmel von Pexels; CCO-Lizenz