Ein junger Mann mit Hoodie vor blauem Hintergrund

„Musik machen ist meine Pause“: Dissy im Interview

Ein Pressetext beschreibt dich als „Spiegelbild einer […] Generation“. Würdest du dem zustimmen?

Naja, das ist so ein bisschen das Wording vom Label [lacht]. Ich mag die Aussage eigentlich nicht, weil sie so „groß“ klingt, aber ich hab mich überreden lassen, es dann doch so zu formulieren. Meiner Meinung nach tickt aber vor allem die jüngere Generation anders, ich spreche glaube ich eher für eine bestimmte Gruppe von Menschen, da meine Texte schon sehr subjektiv sind. Trotzdem beobachte ich auch gern, was die Allgemeinheit so erlebt und denkt, sei es bewusst oder unterbewusst. In meinem Song „Angst“ geht es ja zum Beispiel um Themen wie gesellschaftlichen Druck und Gruppenzwang, Dinge, mit denen jede*r früher oder später mal konfrontiert wird. Manchmal sind meine Tracks also vielleicht schon eine Art Spiegel, weil ein paar Sachen, die mir im Alltag auffallen, auf jeden Fall mit reingestreut werden.

Auf deiner aktuellen Single „freak“ rappst du mit Mine über den Zwiespalt zwischen auffallen und anpassen. Ist es deiner Meinung nach wichtig, ab und an mal aus dem spießigen Alltag auszubrechen, oder sollte man sich lieber an die Regeln der Gesellschaft halten?

Ich finde beides wichtig. Einerseits sollte man sich schon an Regeln halten, sonst würden wir komplett im Chaos versinken. Andererseits finde ich es aber auch nicht richtig, immer nur mit dem Strom zu schwimmen und alles zu konsumieren, was einem vorgesetzt wird. Natürlich kann das jeder machen, wie er*sie meint, ich will hier gar niemanden verurteilen, mir persönlich wäre das aber einfach zu wenig. Ich hatte schon immer Interessen, die in meiner Familie oder bei meinen Klassenkamerad*innen nicht gerade angesagt waren – vielleicht macht mich allein das schon ein bisschen zum „freak“. Aber ich glaube, dass jede*r sich mit diesem Gefühl ein Stück weit identifizieren kann: Man verschwindet immer weiter in der Masse, alles ist gleichgeschaltet, man macht täglich seine Arbeit und kommt doch nicht weiter. Viele Leute haben da das Bedürfnis, einfach mal auf ihren Ruf zu scheißen und aus dieser Welt auszubrechen. Das soll der Song widerspiegeln. Ich selbst befinde mich da in einem Zwiespalt: Dadurch, dass ich keinen typischen Job angenommen, sondern mich früh mit meiner Musik selbstständig gemacht habe, führe ich ja ein Leben abseits der Normalität. Das ist eigentlich auch das, was ich will, dennoch wünscht man sich an manchen Tagen auch die Ordnung und Struktur eines geregelten Alltags zurück.

Was denkst du über die „Modus Mio“ Deutschrap-Szene und Künstler*innen, die nur über Drogen, Geld und Frauen rappen?

Irgendwie langweilt das langsam schon ziemlich, weil es einfach immer das Gleiche ist [lacht]. Trotzdem stecken da ja keine schlechten Menschen hinter. Vor kurzem habe ich für einen Modus-Mio-Rapper ein Video gedreht, das hat mir wirklich Spaß gemacht, und auch sonst will ich mich da gar nicht so vor verschließen: Diese Musik ist ja nicht ohne Grund so beliebt, es gibt auch einzelne Tracks, die mir persönlich echt gut gefallen. Was mich nur nervt, ist, dass das Ganze schon zu einer Art Geldmaschinerie geworden ist. Bei vielen Songs hat man das Gefühl, da werden nur ein paar Knöpfe gedrückt, man schmeißt eine*n beliebte*n Autor*in, eine*n coole*n Produzent*in und eine*n bekannte*n Rapper*in zusammen und erstellt dadurch ein Projekt, was die Masse anspricht und sich gut verkauft. Da geht für mich die Kunst verloren, das ist irgendwie nur noch Plastik.