„Durch Catcalling fühlen sich Täter mächtig“ – Interview mit Aylin von Catcallsofaugsburg
Er pfeift und sie dreht sich erschrocken um. Als sie den Mann an der Bahnstation sieht, geht sie schnell weiter in Richtung Zuhause. Er lacht jetzt. Eine typische Catcall-Situation, die sicherlich einigen Frauen bekannt vorkommt. Ich spreche mit der Gründerin der Instagram-Seite @catcallsofaugsburg, Aylin: Darüber, wo Komplimente aufhören und Catcalls beginnen. Darüber, dass Männer mehr auf Männer hören. Aber auch über einen Polizeieinsatz mit Pressemeldung.
Catcalling, das ist etwas, was (vor allem) Frauen oft passiert. In Augsburg werden nun all die Sprüche angekreidet, genau dort wo sie stattgefunden haben. Und das trifft auch auf Ärger und Unverständnis. Aylin (l.) ist 18 und hat in diesem Sommer ihr Abitur gemacht. Zusammen mit ihrer Freundin Theresa und Neuzugang Jana (r.) betreibt sie die Instagram-Seite @catcallsofaugsburg. Catcall-Betroffene können ihnen Sprüche oder Taten per Direktnachricht zuschicken. Die drei gehen dann zum Tatort und schreiben mit Kreide auf, was genau dort passiert ist. So wollen sie Catcalls in der Gesellschaft sichtbar machen – denn das sind sie noch lange nicht.
Was genau ist „Catcalling“?
„Als Catcalling wird verbale sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum bezeichnet, per Definition geht es von Männern aus und ist an Frauen gerichtet. Und das ist auch meistens so. Die Täter sind größtenteils männlich und deren Opfer weiblich. Die Sprüche, das Anhupen oder Nachpfeifen soll den Betroffenen Macht demonstrieren.“
Wie kamst du dazu, die Seite zu gründen? Ist dir ein einschlägiger Moment in Erinnerung geblieben?
„Grundsätzlich bin ich aufgrund mehrerer Eigenschaften, wie beispielsweise meinem Geschlecht, von Ungleichheit betroffen. Ungerechtigkeiten waren immer etwas, wogegen ich mich auch aktiv einsetzen wollte. Das ist der Grund, weswegen ich mich der „Catcalls of…“-Bewegung angeschlossen habe. Generell gilt aber, dass die eigene Betroffenheit nicht automatisch zum Einsatz gegen Diskriminierung führt. Es ist ein weiter Weg, strukturellen Sexismus und auch Sexismus im eigenen Alltag zu erkennen, sich weiterzubilden und dagegen vorzugehen.“
Wer „catcalled“? Kann man die Täter eingrenzen?
„Die Täter sind, wie gesagt, meist männlich. Aber sie kommen aus den unterschiedlichsten sozialen Ecken und Schichten. Und alle von ihnen wollen eben ein Machtgefälle herstellen, indem sie die Frauen anhupen oder ihnen zurufen.“
Was glaubst du, wollen Täter erreichen? Wollen sie überhaupt eine Reaktion?
„[überlegt] Schwierig zu sagen. Manche Täter sind sauer, wenn man nicht reagiert. Aber eigentlich ist die Reaktion egal, sie wollen eben zeigen, dass sie höher stehen, dass sie vermeintlich Macht über einen haben. Aber was genau sie damit glauben zu erreichen, weiß ich nicht.“
Wo ziehst du die Grenze zwischen Komplimenten und Catcalling?
„Die Grenze ist immer subjektiv. Aber es gibt einen Unterschied in der Art und Weise. Wenn jemand höflich zu einem kommt und dir z.B. für deine Augen oder ein besonders schönes Outfit ein Kompliment macht, dann ist das auch eines. Wenn aber über die Straße hinweg laut Zurufe kommen, die meistens auf den Körper bezogen oder anzüglich sind, dann weiß man schnell, dass das Catcalling ist. Vor allem dann, wenn es von einem völligen Fremden kommt.“