
Warum uns die eigene Stimme oft unangenehm ist
Jede Person, die schon mal ihre eigene Stimme in einer Aufzeichnung gehört hat, kennt dieses Problem: Man hört die eigene Stimme und irgendwie klingt sie … nicht ganz richtig. Fast schon fremd. „Klinge ich für andere wirklich so?!“, fragt man sich da vielleicht. Die Antwort darauf lautet übrigens Ja – aber warum eigentlich?
Durch meine Arbeit werde ich auf regelmäßiger Basis mit diesem Problem konfrontiert. Eigentlich sollte ich ja ein Transkript für ein Interview verfassen, doch der Klang meiner eigenen Stimme bringt mich immer wieder aus dem Konzept. Also habe ich mich gefragt: „Geht das nur mir so?“
Nachdem ich mit Freund*innen darüber gesprochen habe, wurde mir nach und nach klar, dass ich kein Einzelfall bin. Im Gegenteil: Sie alle erzählten mir davon, wie unangenehm sie es finden, sich selbst in Sprachnachrichten reden zu hören. Eine Frage ist damit also geklärt, aber diese Erkenntnis hat nur eine neue Frage aufgeworfen.
Warum ist das eigentlich so?
Dieses Problem existiert übrigens schon so lange, wie sich Stimmen aufzeichnen lassen. Als Thomas Alva Edison im Jahr 1877 seinen Phonographen vorstellte und dafür seine eigene Stimme aufzeichnete, wird es ihm wohl sehr ähnlich ergangen sein.
Denn ob es uns gefällt oder nicht: Das, was wir da hören, ist unsere echte Stimme. So hören uns alle Menschen um uns herum, nur wir uns nicht. Wir sind also die einzigen, die nicht unsere „echte Stimme“ kennen – es sei denn, wir nutzen eben technische Hilfsmittel. Das liegt daran, dass wir die Stimmen anderer Menschen auf anderem Wege wahrnehmen als unsere eigene.
- Die Stimmen unserer Mitmenschen hören wir ausschließlich mit dem äußeren Gehörgang, unsere eigene zusätzlich über Innen- und Mittelohr. Dafür verantwortlich ist der sogenannte „Knochenschall“.
- Geben wir Laute von uns, entstehen Schallwellen. Diese werden aus unserem Mund heraus in die Luft abgegeben, dringen aber auch durch unseren Körper.
- Auf dem Weg vom Kehlkopf durch den Schädelknochen hin zum Trommelfell ändert sich dabei die Tonfrequenz. Dadurch klingt unsere eigene Stimme für uns meist tiefer, als sie es in Wirklichkeit ist.
Das böse Erwachen erwartet uns erst, wenn wir eine Tonaufzeichnung unserer Stimme hören. Da fehlt nämlich der Effekt des Knochenschalls. So klingt unsere Stimme um einiges fiepsiger, als wir es gewohnt sind. Das bringt unser Gehirn mächtig durcheinander.
Dieser Unterschied sorgt sogar dafür, dass wir unsere eigene aufgezeichnete Stimme deutlich negativer bewerten. Dies fand eine Studie bereits im Jahr 2005 heraus.
Selbst die Besten kennen dieses Problem
Dass unsere echte Stimme anders klingt, als wir es gewohnt sind, dagegen lässt sich leider nichts machen. Klar könnt ihr versuchen, mit einer tieferen (oder auch höheren) Stimme zu sprechen, aber ihr werdet euch für andere nie so anhören wie ihr es für euch selbst tut. Das müssen wir aber gar nicht, schließlich ist es bei jedem Menschen so.
Selbst John Lennon – ja, der John Lennon von den Beatles – hat nur ungern seine eigene Stimme gehört. Laut Mental Floss soll er den Produzenten seiner Band, George Martin, öfter gebeten haben, seine Songs doppelt aufzunehmen und den Klang seiner Stimme zu überdecken. Er würde ihn dann fragen: „Kannst du es nicht mit Tomatenketchup oder so ersticken?“
Wenn also einer der größten Rock-Musiker aller Zeiten seine Stimme auf Band so seltsam fand, dann darfst du das als Person, die ab und zu auf den Anrufbeantworter spricht oder eine Sprachnachricht verschickt, auch. Außerdem kann man sich an die eigene Stimme gewöhnen, so blöd das auch klingen mag. Das geht jedoch nur durch direkte Konfrontation: Du musst dir so lange deine aufgezeichnete Stimme anhören, bis es dir nichts mehr ausmacht.
Bild: Andrea Piacquadio via Pexels; CC0-Lizenz