Streitendes Paar

Eine Idee Liebe: Schatz, warum hast du mich angelogen?

Die romantische Liebe ist zum zentralen Motiv unserer Paarbeziehungen geworden. Dass sie der Kitt zweier Menschenleben ist, ist dabei eine noch recht junge Erfindung. Seitdem hat sich viel getan. In dieser Kolumne beschäftigen sich unsere zwei Autorinnen Lena und Rahel mit dem Ursprung der romantischen Liebe. Wo kommt sie her, wo will sie hin? Ist die Liebe zwischen Swipe links und Swipe rechts nur noch ein Produkt der Liebesökonomie?

Lügen haben kurze Beine, das wissen wir alle und dennoch lügen wir ständig. Im Job, in der Familie, beim Einkaufen. Durchschnittlich lügt jeder Mensch 25-mal am Tag. Auch in der Beziehung wird gelogen, selbst, wenn wir uns das nur ungern eingestehen. Schließlich ist doch die Ehrlichkeit die Basis jeder Beziehung, oder?

Den Partner oder die Partnerin anzulügen gilt als absolutes No-Go, denn Lügen beeinträchtigen das Vertrauen zueinander und führen dazu, dass man sich voneinander distanziert. Es ist, als würde jede aufgeflogene Lüge einen faden Beigeschmack hinterlassen. Etwas bitteres auf der Zunge, was in Momenten des Zweifels an Dominanz gewinnt. Dennoch setzt das Ideal der absoluten Ehrlichkeit viele von uns unter einen enormen Druck. Muss ich meinem Partner wirklich alle erzählen? Und was, wenn es sich um eine Notlüge handelt? Sollte ich immer ehrlich sein, selbst, wenn ich meine*n Partner*in damit sehr verletze?

Weiße Lügen

Fangen wir doch zunächst einmal mit der scheinbar harmlosesten Lüge an. Es ist Dezember, kurz vor Weihnachten und wir wollen ein Geschenk für unsere*n Liebste*n besorgen. Nun können wir aber nicht sagen, dass wir noch eben alleine ins Kaufhaus müssen, das würde ja auffallen. Also erzählen wir vielleicht eher, dass wir uns mit einer alten Freundin auf einen Kaffee verabredet haben. Ab ins Auto, rein in den Laden, vielleicht noch eben in den H&M nebenan – soll ja auch glaubwürdig wirken – und dann wieder ab nach Hause. Hat doch alles super geklappt und am 24. Dezember ist die Freude bei allen Parteien groß. „Wann hast du das denn besorgt? Das habe ich ja gar nicht mitbekommen!“ Ende gut, alles gut.

Gibt es andere Bereiche in der Beziehung, auf die sich dieses Prinzip übertragen lassen? Sicher, meint zumindest die Paartherapeutin Kirsten Hellwig. Wenn wir in der Uni oder im Job jemanden kennenlernen, den wir so richtig attraktiv finden und der sich dann vielleicht auch in unsere kühnsten Träume schleicht, ist das noch kein Grund, den Partner oder die Partnerin in diese Fantasien einzuweihen. Denn träume und Fantasien sind per se nicht beziehungsgefährdend und liegen in unsere eigenen Autonomie. Gleiches gilt für Ticks des Partners, die uns zeitweise zur Weißglut treiben. Hat unser Partner beispielsweise die Angewohnheit, seine Socken überall herumfliegen zu lassen, dann können wir uns entscheiden, ob wir ihm sagen, dass uns das kolossal nervt oder wir denken uns einfach unseren Teil, weil wir ja wissen, dass wir auch hier und da unsere Macken haben. Auch lügen wir in Beziehungen gerne, wenn wir nach unserer Meinung gefragt werden. Der Klassiker hier wäre wohl das gute alte: „Schatz, das Kleid steht dir ausgezeichnet.“ Hier lügen wir, weil wir sehen wie glücklich das neue Kleidungsstück unser Gegenüber macht, auch, wenn es sich hier vielleicht nicht um den vorteilhaftesten Schnitt handelt.