nachdenkliche Frau

Erwachsenes Trennungskind: Wie geschiedene Eltern uns prägen

Verliebt, verlobt, verheiratet, geschieden – und was passiert mit den Kindern? Obwohl die Scheidungsrate in Deutschland in den letzten Jahren sank, erlebten 2021 mehr als 120.000 Kinder die Scheidung ihrer Eltern. Doch wie wirken sich die Erfahrungen auf das spätere Erwachsenenleben der Scheidungskinder aus?

Disclaimer: Der Artikel basiert in Teilen auf den Erfahrungen unserer Autorin.

Wie kann man an die Liebe glauben, wenn man schon als Kind erlebt hat, dass Liebe scheitern kann? Anders als meine Freund*innen habe ich schon früh nicht mehr an die ewige Liebe geglaubt. Trotzdem verliebt man sich, geht Beziehungen ein und freut sich aufs Heiraten. Doch immer schwingt die Angst mit, ebenfalls zu scheitern und sich schlussendlich zu irren. Tatsächlich scheint die Scheidungsbereitschaft laut Studien vererbbar zu sein: Scheidungskinder haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, selbst den Weg der Scheidung zu wählen. Die Scheidungsrate bei Ehepaaren, in denen ein*e Partner*in geschiedene Eltern hat, ist anderthalbmal höher als bei Ehepaaren, deren Eltern jeweils noch verheiratet sind. Es scheint, als wäre der Zauber um „Bis dass der Tod uns scheidet“ bei Trennungskindern schon früh verschwunden. Sind wir also weniger bereit, um die Liebe zu kämpfen als Kinder aus einer scheinbar intakten Familie?

Wie die Scheidung uns prägt 

Mittlerweile ist man erwachsen, die Trennung der Eltern scheint überwunden und trotzdem sind da diese blöden Momente an Weihnachten oder am Geburtstag. Wen sieht man wann? Und dann die Gedanken an den Abiball, die Hochzeit oder ähnliche besondere Anlässen. Wie werden sich die Eltern verhalten? Denn auch nach Jahren scheinen manche Erwachsene noch immer nicht über die Trennung hinweg zu sein. Zurück bleiben die mittlerweile erwachsenen Kinder und das ständige Gefühl, zwischen den Stühlen zu stehen und dort regelrecht gefangen zu sein. Manchmal fühlt man sich als Trennungskind reifer als die eigenen Eltern.

Es wird davon ausgegangen, dass Trennungskinder eine verstärkte Angst vor dem Verlassenwerden verspüren und ernster auf das Leben schauen. Die zuvor erwähnte Studie ergab auch, dass erwachsene Trennungskinder Schillers Worte „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ ernst zu nehmen scheinen und vor der Ehe eine höhere Anzahl an Partner*innen haben. 

Trennung auch mal positiv 

Als erwachsenes Trennungskind versteht man, dass Trennungen nicht immer nur negative Folgen haben. Die ständigen Streitereien finden endlich ein Ende. Wir haben schon früh die Vorteile erkannt, dass wir, wenn wir unglücklich sind, jederzeit eine Wahl haben. Wir haben das Privileg in einer Zeit zu leben, in der „Bis dass der Tod uns scheidet“ nur eine romantische Floskel ist und keineswegs ein bedingungsloser Vertrag für die Ewigkeit. Natürlich ist eine Trennung nichts Schönes, und wahrscheinlich werden wir alle ein Leben lang daran zu knabbern haben. Schlussendlich sind jedoch glückliche Eltern die besten Eltern, auch wenn der Weg dorthin eine Trennung bedeutet. Auch als erwachsenes Trennungskind dürfen wir noch an die unendliche Liebe glauben. Schließlich wissen wir genau, worauf es schlussendlich ankommt.

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Bildquelle: John Paul Duhanvia Pexels; CC0-Lizenz