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ESC 2022 & gute alte Zeiten im Hier und Jetzt: Malik Harris im Talk

Am 14. Mai ist es wieder so weit, die 66. Ausgabe des Eurovision Song Contests steht vor der Tür. Dieses Mal geht es ins italienische Turin, wo sich prächtige Barockbauten und alte Cafés mit unwiderstehlichem Ambiente aneinanderreihen. Wir haben im Vorfeld den deutschen Act, Malik Harris, virtuell getroffen und ihn mit unseren Fragen gelöchert. Das Interview ist auch als Video hier verfügbar.

Lass uns von vorne anfangen: Warum hast du dich entschieden, dich zum ESC-Vorentscheid zu bewerben?

Malik: Das kam bei mir über einen Kumpel. Ich hatte vorher gar nicht groß – jemals eigentlich – über eine Teilnahme beim ESC nachgedacht. Ich habe dann letztes Jahr viele Songs geschrieben, unter anderem Rockstars. Einige Wochen später kam dann ein Kumpel auf mich zu und hat unabhängig von dem Song nachgefragt, ob ich mir das vorstellen könnte (…). Ich musste direkt an Rockstars denken. Zum einen wollte ich den Song eh zu diesem Zeitpunkt rausbringen, zum anderen passt das Lied meiner Meinung nach gut zum ESC. Das ist ein wahnsinnig persönlicher Song mit einer sehr verletzlichen und nahen Geschichte, mit der sich viele identifizieren können. Ich wollte schon immer Leute mit meiner Musik erreichen und sie damit vielleicht nicht so alleine fühlen lassen.

Der andere Grund war tatsächlich auch, dass ich mir dachte, irgendwie ist der Song so anders als das, was ich kenne vom ESC – gerade auf die deutschen Acts bezogen. Da dachte ich mir: Mal gucken, ob man da nicht ein bisschen frischen Wind reinbringen kann. 

Man sollte die guten alten Zeiten auch mehr im Hier und Jetzt suchen – das ist die Kernaussage von deinem ESC-Song Rockstars. Warum hast du genau über das Thema geschrieben?

Malik: Die Inspiration zu dem Song kam, nachdem ich eine Folge von The Office gesehen habe (…). Das ist eigentlich eine Comedy-Show, die ich geschaut habe, um mich abzulenken.  Dann kam aber ein Satz, der schon irgendwie hart war: I wish there was a way to know you’re in the good old days before you’ve actually left them (Ich wünschte, es gäbe einen Weg zu wissen, dass man in der guten alten Zeit ist, bevor man sie verlassen hat). Dieser Satz hat mich so umgehauen – ich musste dann auch erstmal pausieren und heulen, um klarzukommen, weil mich das so getroffen hat. Es hat mir auch gezeigt, wie viel Zeit ich damit verbringe, in dieser Vergangenheit zu schwelgen und mich mit meinem früheren Ich vergleiche. 

Wenn du auf dein Leben schaust: Welche Zeit wäre bei dir am ehesten diese gute alte Zeit?

Malik: Es gibt einige. Gerade die Oberstufe in der Schule war eine geile Zeit. Das ist so ein Klassiker: Ich glaube, alle in meinem Umfeld würden diese Zeit auch wählen. 

Unterstütze ich komplett.

Malik: Schon, oder? Aber warst du auch wie wir, dass in dieser Zeit, wenn man uns gefragt hätte, hätten wir nur gesagt: Ey, das ist so beschissen gerade. Ich habe Stress, ich will hier weg, ich finde es scheiße… (lacht).

Absolut, es war zum Kotzen (lacht). 

Malik: Ja genau (lacht). Und jetzt denkt man sich: Woah, würde ich schon gerne mal wieder zurück. Das ist auf jeden Fall so eine Zeit. Aber es gibt viele. Meine noch frühere Kindheit, gerade die Unbeschwertheit von damals. Man ist die ganze Zeit draußen mit Freunden, baut Baumhäuser, klettert auf Bäume, springt in Seen, fährt mit dem Fahrrad… 

Bild: Martha Böller, Universal Music

Was warst du dann für eine Art von Schüler? Eher der letzte Reihe-Rowdy oder der Lehrer-Liebling in der ersten Reihe?

Malik: Krasser Weise ein bisschen beides. Ich weiß nicht, wie ich das angestellt habe, aber ich habe gefühlt nur Scheiße gebaut die ganze Zeit. Ich war aber trotzdem so bei den Lehrern, dass sie sich dachten, der ist doch ganz cool. Ich glaube, was bei mir ein Vorteil war, dass ich mit den Lehrern von Anfang an immer relativ normal gesprochen und mich nicht immer so krass untergeordnet habe. Dadurch ist man manchmal auch aufeinandergeprallt, aber ich habe das Gefühl, das hat einem dann immer ein bisschen Respekt verschafft. 

Wieder zurück zu Rockstars und konkreten Lyrics. Gegen Ende des Songs rappst du: In all the worries, all the thoughts, overthinking all the parts, so exhausted, always caught up inside my doubts and flaws. Konkret geht es hier um Selbstzweifel, die auch mit dem Älterwerden einhergehen. Gibt es Beispiele oder einen bestimmten Bereich, in dem sich diese Selbstzweifel bei dir äußern? 

Malik: Ey, 24/7 (lacht). Ich habe jetzt Selbstzweifel, dass die Antworten, die ich dir gerade gebe, nicht ein bisschen beschissen sind. Das habe ich wirklich 24/7 bei allem, was ich mache. Oft ist es sehr, sehr unterschwellig bei Kleinigkeiten, aber manchmal bremst es einen auch aus. Ein witziges Beispiel sowohl für Selbstzweifel als auch die Macht Musik war mein erster Song, den ich geschrieben habe. 

Ich habe ewig gebraucht, um den ersten Song zu schreiben, weil ich solche Selbstzweifel hatte, dass ich mir dachte: Solange ich nicht anfange, kann ich es auch nicht verkacken (…).

Es hat ewig gedauert, bis ich an den Punkt gekommen bin und mir dachte: Vielleicht versuche ich mal, genau darüber zu schreiben. Mein erster Song heißt dementsprechend Next Step – was, wenn mein nächster Schritt schiefgeht. Das war wieder ein schöner Moment, in dem die Musik wie eine Therapiesitzung für mich selbst war. 

Bei deiner Finalperformance des ESC-Vorentscheides, du bist als Gewinner hervorgegangen, gab es einen herzerwärmenden Moment. Während der Performance musstest du dich, überwältigt von der Freude und der Ungläubigkeit, vom Mikrofon kurz abwenden. Hast du an dem Abend überhaupt schon realisieren können, dass es für dich nach Italien geht?

Malik: Null. Es hat echt ein paar Tage gedauert. Ich war schon wirklich total perplex. Das war so ein intensiver Abend, es waren so viele Gefühle mit dabei. Ich war auch wirklich überrascht, weil es ein recht spätes Comeback war. Es war auch eine so krass schöne Bestätigung für mich, durch die TV-Votes gewählt worden zu sein. Das waren die Leute, die mich dort gesehen haben und gesagt haben: Das finden wir geil, da rufen wir an. 

Nach der Show wurde eh erst einmal ein bisschen gefeiert, am nächsten Tag wurde ein bisschen ausgekatert. Am Montag darauf wurde es dann langsam ein bisschen klar im Kopf. 

Wenn wir auf deine eigentliche ESC-Performance schauen: Was hast du für eine Show geplant? Dein Auftritt im Vorentscheid war eher minimalistisch und persönlich gehalten. Willst du das auch im Finale in Turin so beibehalten?

Malik: Das wird auf jeden Fall eine sehr andere Inszenierung. Aber der intime Charakter wird trotzdem beibehalten. Mir ist es wahnsinnig wichtig, dass das alles authentisch bleibt und man sich nicht verstellt, weil man auf der ESC-Bühne ist, sondern sich selbst und dem Song treu bleibt. Zum Song würde es nicht passen, wenn man ein riesiges Feuerwerk zündet und Tänzerinnen auf der Bühne Moves machen. Der Song lebt von der Emotion, der lebt von der Message und der Musik. Dementsprechend möchte ich darauf auch den Fokus legen. 

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Bildquelle: Universal Music