„Feel The News“: Im Interview mit Jule und Sascha Lobo
Nachrichten sind selten ein reines Informationsmedium, welches wir einfach objektiv und sachlich betrachten können. Sie lösen Reaktionen in uns aus. Machen uns wütend, traurig, glücklich oder frustriert. Ein Grund mehr, weshalb viel mehr über die Emotionen hinter dem reinen Nachrichtenstrom geredet werden sollte.
Das dachten sich auch Jule und Sascha Lobo, die uns ab dem 10. März mit an den heimischen Küchentisch nehmen, um dort die Debatte von der Tagesschau, über die Bild-Zeitung bis hin zum Bachelor für uns einzuordnen. Gespickt mit präzise recherchierten Fakten, Anekdoten und dem ein oder anderen Gefühlsausbruch schaut das Paar jede Woche auf das Weltgeschehen und fragt sich und die Hörer: Was macht das eigentlich mit uns? Und wie können wir diese Emotionen für uns einordnen?
Rahel: Schön, dass es geklappt hat. Ich freue mich total. Allein schon, weil ich die Idee des Podcasts großartig finde. In „Feel The News” soll es ja nicht nur um Nachrichten an sich gehen, sondern auch um die Gefühle, die diese auslösen. Wie kam es zu der Idee, Nachrichten nicht nur aufzuarbeiten, sondern auch über die Gefühle dahinter zu sprechen?
Jule: Also ich denke wir haben über die Pandemie gemerkt, dass viele von uns einfach sehr starke Emotionen haben. Und da möchte ich bewusst die Menschen außenvorlassen, die sich über Telegramm radikalisieren. Sondern es geht um die Leute, die zuhause sitzen, Nachrichten schauen und sich danach aufregen oder Angst haben oder generell einfach das Gesehene verarbeiten müssen. Gerade in unserer Generation wird besonders viel über Emotionen gesprochen und das finde ich super. Aber irgendwie wird diese Einstellung nicht mit dem Konsum von Informationen in Verbindung gebracht. Wir wollen in unserem Podcast mit Studio Bummens gerne einen Verarbeitungsansatz anbieten. Nach dem Motto: Das ist die Nachricht und dieses Gefühl kann diese Information auslösen. So könntest du dich fühlen und so fühlen wir uns. Wir haben das auch im Privaten festgestellt. Wenn Sascha und ich über Nachrichten reden, dann nehmen Emotionen häufig einen viel größeren Raum ein als die Information an sich. Aber wie es zu der Grundidee kam, da kann Sascha vielleicht besser etwas zu sagen.
Sascha: Ursprünglich kam es dazu, weil mir aufgefallen ist, dass ich häufig schon allein durch meinen Beruf auf Krampf versucht habe Dinge zu objektivieren, um sie dann erst im zweiten Schritt besser analysieren zu können. Doch im Gespräch mit Jule am Abendbrottisch, also an dem Ort, an dem man nun mal über das Erlebte oder Gesehene des Tages spricht, ist mir bewusst geworden, dass das ein Irrläufer ist, wenn ich versuche, alles herunterzukochen. So ein bisschen wollen wir mit dem Podcast auch versuchen, die Debatte und die Emotionen denjenigen zu entreißen, die sie in den vergangenen zwei Jahren okkupiert haben. Die Idee ist zu sagen: Okay, Nachrichten lösen Gefühle aus. Das ist in Ordnung. Aber wie gehen wir nun damit um? Die wichtigste Frage, die man sich immer wieder stellen muss, ist doch: Wie können wir informiert bleiben, ohne an der Welt zu verzweifeln?
Rahel: Ein spannender Gedanke und auch eine Frage, die viele von uns in den vergangenen Jahren immer wieder umgetrieben hat. Wo und wie konsumiere ich Nachrichten? Schaue ich da besser die Tagesschau oder gibt es auch gut gemachte TikTok-Kanäle? Und wie vermeide ich dabei in eine Bubble abzurutschen?
Sascha: Ich glaube, der erste wichtige Schritt ist es, zu differenzieren. Zunächst wäre da natürlich die Art und Weise, wie man Nachrichten konsumiert. Das kann einerseits die Häufigkeit sein, aber auch das Medium. Andererseits muss man sich die Quelle anschauen. Fernsehsender sind nicht per se rational und TikTok muss nicht zwangsläufig Falschinformationen verbreiten. Aber was man nicht wegdiskutieren kann, ist die Tatsache, dass die sozialen Medien dazu gemacht sind, Emotionen in uns zu wecken. Sie wollen nicht informieren, sondern unterhalten. Das bedeutet aber auch, dass Nachrichten, die ich über soziale Medien bekomme, eine andere emotionale Wucht entwickeln können. Sich damit auseinanderzusetzen und zu registrieren, dass einen diese Nachrichten wütend oder traurig machen, ist wichtig. Denn erst dann kann man sich auch die Frage stellen, ob diese Emotionen gerechtfertigt sind, oder ob man sich vom Strom und den Kommentaren hat mitreißen lassen. So lassen sich auch hervorragend zurückliegende Shitstorms analysieren. In dem man sich fragt: War diese Aufregung gerechtfertigt oder stand da vielleicht nur ein PR-Gag dahinter?
Auf all diese Situationen wollen wir uns im Podcast einlassen und um das zu tun, muss man sich vor allem auf das Gefühl konzentrieren. Deswegen auch „Feel The News“!
Rahel: Habt ihr das auch untereinander schon feststellen können? Was war eine Erkenntnis, mit der ihr euch gegenseitig so richtig überrascht habt oder zu der ihr erst durch den anderen gelangt seid?
Jule: Ich finde, dass es sich gerade dann um einen hochemotionalen Raum handelt, wenn man mit der Familie zusammen ist. Sei es jetzt der Partner oder die Eltern oder die Großeltern. Sobald im familiären Raum über Nachrichten gesprochen wird, wird es schnell sehr leidenschaftlich. Da möchte man seinen Standpunkt klarmachen. Weil es mir ja wichtig ist, was die Familie von mir hält und weil man die Liebsten gerne vom eigenen Standpunkt überzeugen möchte. Ich muss ehrlich sagen, dass sich jedes Gespräch, welches ich mit Sascha führe, lohnt. Weil wir ständig unsere Standpunkte abgleichen. Es gibt aber durchaus auch Situationen, in denen ich ihm sagen muss, dass er mit seiner Meinung nicht 100% richtig liegt.
Sascha: Ja das stimmt. Ich bin mir – ganz nach Art von mittel-alten weißen Männern – oft sehr schnell sicher, dass eine Sache auf, die eine oder andere Art funktioniert und genau so auch funktionieren muss. Und dann kommt Jule und sagt eben: „Nein, da musst du auch mal die andere Seite betrachten!“ Das hilft mir dann zu verstehen, dass meine erste Reaktion nicht immer die Richtige sein muss. Dass andere Generationen, andere Berufsgruppen, etc. da vielleicht ganz anders drüber denken. Und mit dieser Idee setzen wir uns dann hin und versuchen ein großes Bild zu entwerfen, welches an manchen Stellen sicher immer noch Lücken hat, aber eben nicht mehr so viele wie zuvor.
Jule: Ich glaube, was wir auch dringend lernen müssen, ist es uns eine bessere Fehlerkultur anzueignen. Wir müssen lernen, dass es okay ist, wenn man mal falsch liegt und das es auch in Ordnung ist, seine Meinung zu ändern. Und vielleicht können wir mit unserem Podcast da auch ein kleines bisschen Vorbild sein.
Sascha: Es gibt ein total schönes Zitat von dem Philosophen Hans-Georg Gadamer, in dem er sagt: „Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte.“ Und genau das ist der Punkt, der uns in Diskussionen oft abhandenkommt. Deswegen wäre es doch schön, wenn wir genau das in unserem Podcast machen könnten: Der anderen Person zuhören. Ihr zugestehen, dass sie Recht haben könnte.