Feel the News

„Feel The News“: Im Interview mit Jule und Sascha Lobo

Rahel: In der aktuellen Debatte um Corona, die Klimakrise und den Ukrainekonflikt scheint es immer häufiger zwei Lager zu geben. Ist der Podcast auch ein Angebot für einen Graubereich?

Sascha: Ich glaube eher nicht, dass es ein Angebot für einen Graubereich ist, weil wir natürlich auch ein Meinungsangebot machen. Das muss nicht immer einheitlich sein. An manchen Tagen wird Jule X vertreten und ich Y und dann müssen wir uns eben darauf einigen, dass wir uns nicht einigen können. Was aber auf jeden Fall stimmt ist, dass man bei komplett unterschiedlichen Meinungen ganz anders miteinander reden muss, als wenn man sowieso schon einen ähnlichen Standpunkt hat. Und wenn man da eine Brandmauer dazwischen zieht und sagt: „Du musst jetzt aber komplett auf meine Seite kommen“, dann wird sehr wahrscheinlich nicht viel passieren, außer dass sich die Fronten verhärten. Die Voraussetzung für eine gelungene Diskussion ist immer Empathie und die erreiche ich nur, wenn ich in der Lage bin, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen. Darüber hinaus sollte einem auch bewusst sein, dass auch Argumente, die nicht 100% sachlich korrekt sind, gleichzeitig emotional legitim sein können. Man muss die Lager dementsprechend nicht auflösen, man muss nur nachvollziehen können, wo sie entstehen.

Rahel: Gerade in den vergangenen Jahren hat man häufig das Gefühl bekommen, dass Nebenschauplätze zu den Hauptnachrichten wurden. Plötzlich ging es nicht mehr um die Flutkatastrophe, sondern um den lachenden Laschet und anstatt über Inhalte, diskutierte man plötzlich über die Tatsache, dass Annalena Baerbock eine Frau ist. Lässt euch das manchmal verzweifeln?

Jule: Gute Frage. Sascha und ich haben in der Zeit insbesondere über Laschets Lacher viel gesprochen. Dabei ging es uns aber weniger um die Tatsache, dass er gelacht hat, sondern um die Hintergründe der öffentlichen Debatte. Wo kam sie her? Was hat sie ausgelöst? Den Mechanismus dahinter zu verstehen, finde ich wichtiger als dass so etwas nicht geschieht. Es können immer Dinge passieren, die mich aufregen oder verletzen, aber in genau diesen Momenten sollte ich mich fragen, warum ich so fühle und wie ich das einordnen kann. Beispielsweise würde ich den Lacher von Laschet anders bewerten als die Tatsache, dass Annalena Baerbock eine Frau ist. Denn das ist eher eine Problematik des Patriachats. Übrigens auch ein Thema, welches im Podcast eine große Rolle spielt und welches wir immer wieder versuchen von unterschiedlichen Seiten zu betrachten: Steckt hinter dieser Debatte ein strukturelles Problem? Um das zu bewerkstelligen, würden wir beispielsweise gerne Sprachnachrichten einbauen, von Menschen, die da mehr zu sagen können oder die uns auch nochmal Gedankenanstöße geben können. Denn ich denke schon, dass durch diese medialen Nebenschauplätze schnell eine Verwirrung darüber entstehen kann, was nun das eigentliche Thema ist.

Sascha: Wobei wir in so vermeintlichen Nebenschauplätzen auf einer emotionalen Ebene viel mehr sehen können. Es ging ja gar nicht darum, dass er gelacht hat, sondern es ging darum, dass man das Gefühl bekam: Der nimmt das gar nicht ernst! Dem ist das egal mit der Flut. Das heißt, da ist eine ganz grundlegende Bewertung seines Charakters plötzlich auf eine andere Ebene gehoben worden. Durch ein einzelnes Moment. Ob das jetzt gerecht ist oder nicht, das ist eine andere Frage. Aber der Eindruck entstand, dass Laschet sich selbst in so dramatischen Situationen nicht mal fünf Minuten zusammenreißen kann. Ihm wurde also die charakterliche Eignung für das Amt des Bundeskanzlers abgesprochen. Und das ist auch in Ordnung, denn wir als Menschen können Situationen nicht völlig objektiv bewerten. Wir haben meist nur eine gewisse Menge an Informationen, sodass uns gar nichts anderes übrig bleibt, als die Lücken mit unserem Bauchgefühl zu füllen.

Rahel: Vielleicht ist das eine ganz gute Überleitung zu meiner nächsten Frage: Wo finde ich denn wirklich seriöse und möglichst objektive Nachrichten?

Sascha: Es gibt überraschend viele gute Nachrichtenportale, Zeitungen, Fernsehsender und Podcasts. Die gibt es! Ich glaube, man darf nur nicht den Fehler machen, zu glauben, dass jetzt wirklich jede Zeile, die da steht zu 100% auch immer das ist, was der Wahrheit entspricht. Selbst dann, wenn es sich um ein seriöses Medium handelt, was nach journalistischen Kriterien arbeitet. Es ist ein Annäherungsprozess und ich glaube den kann man am besten kanalisieren, indem man sich nicht nur ein Medium anschaut. Dass man sich vielleicht auch mal Medien aus dem Ausland anschaut und liest, was die da schreiben. Was ist in den sozialen Medien los? Wie wird da über welches Thema gesprochen? Und mit dieser Herangehensweise kann man ein viel umfassenderes Bild bekommen, als wenn man nur die heimischen öffentlich-rechtlichen Medien konsumiert.

Jule und Sascha Lobo
Bildquelle: © Studio Bummens/Pauline Bossdorf

Rahel: Letzte Frage dazu: Was tut man denn gegen Zynismus im Nachrichtendschungel?

Sascha: (Lacht) Bereits ein kurzes mit Jule verheiratet zu sein, hilft gegen jede zynische Anwandlung. Das ist allerdings ein Instrument, welches ich ungerne anderen anbieten würde.

Jule: Also ich muss ehrlich sagen, obwohl ich Instagram und Twitter und den ganzen Kram sehr liebe, hat es sich für mich irgendwann nicht mehr so angefühlt, als würde Zynismus tatsächlich eine sinnvolle Lösung darstellen. Sondern als würde ich ein Pflaster auf einen offenen Bruch kleben. Ich glaube, es hilft die Dinge so zu sehen, wie sie sind und die Emotionen auch zuzulassen. Es lohnt sich, sich ernsthaft mit Dingen auseinanderzusetzen, wenn man sie verstehen und vielleicht sogar ändern will. Gerade jetzt, wenn wir Eltern sind. Schließlich will man nicht auf jede Frage des Kindes mit einem süffisanten Spruch reagieren.

Sascha: Dazu kommt vielleicht ein ganz wichtiger Punkt. Wenn man an sich selbst Zynismus bemerkt, dann gibt es einer Art Trick damit umzugehen. Nämlich indem man feststellt, dass Zynismus eine Schutzhaltung ist. Gegenüber Katastrophen und den ganzen Unwägbarkeiten um einen herum. Und wenn man sich das eingesteht, dass man gerade mit dem Zynismus eine ganz einfache Form von Schutz gewählt hat, dann kann man sich fragen: Wofür habe ich denn gerade diesen Schutz gebraucht? Womit kann ich nicht gut umgehen? Und damit ist man dann auch schon mittendrin in „Feel The News“. Nämlich zu fühlen was dahintersteckt und nicht gleich zuzumachen und zu sagen: „Ach komm, ist doch eh alles egal!“

Rahel: Vielen lieben Dank für das ausführliche Interview und viel Glück mit dem Podcast!

Die erste Folge „Feel The News“ findest du hier

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