Interview mit Karim Jamal: „TikTok hat mich selbstbewusster gemacht“
Ein Gespräch über Kreativität, TikTok und die Unterhaltung.
Karim Jamal trägt eine braune Hose mit ausgestopftem Hintern. Dazu eine Brille, einen Schal mit roten Herzen und große Ohrringe. „Lehrer, wenn sie eine Aufgabe erklären be like“ heißt der auf TikTok veröffentlichte Sketch. Karim stöckelt durch die selbstgebastelte Klassenzimmer-Kulisse und stellt die Kaffeetasse neben den Schülerinnen ab. Die Schülerinnen sind in dem Fall zwei Plastikeimer mit aufgemaltem Gesicht und Perücke. „Das ist Stoff der sechsten Klasse“, sagt die Lehrerin aka Karim und haucht den blonden Plastikeimer mit Kaffeemundgeruch an, während er dem anderen Eimer den Hintern ins Gesicht hält. Erinnert an die eigene Schulzeit. Karim Jamal hat auf TikTok 2,5 Millionen Follower*innen. Er dreht Videos über die Themen des Alltags, die wir alle kennen und uns beschäftigen. Wir haben mit ihm gesprochen.
ZEITjUNG: Zunächst einmal für alle, die nicht so sehr in der TikTok-Bubble leben. Wer bist du und wie würdest du dich selbst beschreiben?
Karim Jamal: Ich bin Karim Jamal, bin 21 Jahre alt und lebe in München. Ich mache TikTok – und da hauptsächlich Comedy und verschiedene Sketche über Alltagsthemen, die alle kennen.
ZEITjUNG: Wie bist du darauf gekommen, TikTok zu machen? Wie ging das Ganze los?
Karim Jamal: Das war eigentlich alles irgendwie spontan. Am Anfang vom ersten Lockdown – also 2020, als Corona angefangen hat – habe ich mir die App runtergeladen. So ging es glaube ich den meisten. Am Anfang habe ich random aus Langeweile Sachen hochgeladen, ganz ohne Sinn. Irgendwann hat sich das von alleine weiterentwickelt, 2021 habe ich dann meinen Content gefunden. Es war ein laufender Prozess.
ZEITjUNG: Dein Content ist ja bekannt für deine Verkleidungen und originellen Settings. Wie viel Zeit nimmt so ein Video in Anspruch?
Karim Jamal: Die Videos nehmen sehr viel Zeit in Anspruch, allein der Aufbau dauert sehr lange. Es kommt natürlich auch immer auf die Art des Videos an. Aber ich habe da zum Beispiel ein Setting von Bus und S-Bahn, was schon mal so sieben Stunden dauern kann. Dazu kommen dann noch das Skript und der Dreh. Deswegen kann ich auch nicht jeden Tag etwas posten, sondern eher jeden zweiten und dritten.
ZEITjUNG: Hast du eine Lieblingsverkleidung? Und wie kommst du auf die Ideen?
Karim Jamal: Eindeutig die Lehrerin. Ihre Rolle ist schon die, die ich am meisten fühle. Und hinter den Ideen steckt gar nicht so viel, wie man vielleicht denkt. Ich steh am Morgen auf, sehe einen Gegenstand und frage mich, was ich damit machen könnte. Und dann mache ich das einfach.
ZEITjUNG: Was möchtest du mit deinen Videos erreichen?
Karim Jamal: In erster Linie möchte ich die Leute unterhalten und sie zum Lachen bringen. Viele können sich mit den Situationen identifizieren und sagen: „Hey, das ist mir auch passiert“ oder „Oh mein Gott, das kenne ich.“ Ich glaube, dass das die Videos auch besonders macht. Aber ich möchte auch eine Message verbreiten. In meiner Schulzeit hatte ich mit Mobbing zu tun, das spiegeln meine Lehrer- und Schulvideos wider.
ZEITjUNG: Glaubst du, dass diese hohe Identifikation der User*innen Grund für deinen Erfolg sind? Wie erklärst du dir den Hype um deinen Account?
Karim Jamal: Zuerst muss ich sagen, dass ich mit diesem Hype niemals gerechnet hätte. Das kam aus dem Nichts. Aber ich glaube schon, dass es etwas damit zu tun hat, dass sich jeder in die Situationen hineinversetzen kann und sie fühlt. Auch der Aufbau der Videos und die Kulissen sind schon irgendwie einzigartig.
ZEITjUNG: Wenn wir schon beim Thema Hype sind. Es gibt ja oftmals Vorwürfe an diesen TikTok-Hype. Viele meinen, dass die Plattform dazu führen würde, dass Jugendliche „verdummen“. Andere sehen in TikTok jedoch Chancen. Welche Vorteile siehst du in TikTok als Plattform?
Karim Jamal: Es gibt viele positive Seiten an TikTok. Man erlangt im Gegensatz zu anderen Plattformen sehr schnell Reichweite. Das finde ich sehr gut, weil ich meine kreative Art so mit Leuten teilen kann. Außerdem passiert auf TikTok alles sehr schnell. Das ist auch wichtig, um Nachrichten und Trends zu verbreiten und informiert zu bleiben. Accounts wie „Herr Anwalt“ können außerdem über wichtige Themen aufklären und sich direkt an die Zielgruppe richten. Ich glaube, dass das eine Chance sein kann.
ZEITjUNG: Du hast jetzt viel von den positiven Seiten von TikTok gesprochen. Bist du auch von den negativen Seiten wie Hate betroffen?
Karim Jamal: Ganz, ganz positiv ist es bei niemandem. Nicht jeder kann dich mögen, aber das ist normal. Ich mag ja auch nicht alles. Es ist schon so, dass die Leute auf TikTok viel in die Kommentare schreiben. Ich lese mir das auch durch, weil es mir wichtig ist, eine Verbindung zu meiner Community aufzubauen. Ich will ja auch wissen, was ich besser machen kann. Wenn sich negative Kommentare auf meinen Content beziehen, dann bin ich fein damit. Wird es aber persönlich wie „Du bist hässlich“ oder „Deine Art mag ich gar nicht“, versuche ich das zu ignorieren und nicht zu beachten.