Felix Jaehn

„Als ob ich immer einen Filter vor den Augen gehabt hätte“ – Felix Jaehn im Interview

In dem Song „No therapy“ solidarisierst du dich mit der LGBTQ-Bewegung und bekennst dich auch zu ihr. Du selbst hast dich 2018 als bisexuell geoutet und kannst heute offen darüber reden. Wie ging es dir vor und während deinem Coming Out?

Vor meinem Coming Out war es für mich natürlich eine große Last, weil ich ein Geheimnis mit mir herumgeschleppt habe, eine Seite von mir selbst, die immer da war, die ich aber einfach nicht mitgeteilt habe. Entsprechend hat es mich eingeschränkt, mein Handeln verändert, ich konnte einfach nicht frei leben und lieben. Als ich selbst noch ein Jugendlicher war, hat es mich natürlich total verwirrt und verunsichert, gerade aufgrund der Bisexualität. Ich dachte immer, eines Tages wache ich auf und weiß, ob ich schwul bin oder nicht. Aber irgendwann habe ich dann verstanden, dass es vollkommen legitim und in Ordnung ist, dazwischen zu sein und sowohl Frauen als auch Männer attraktiv zu finden. Das zu verstehen und anzunehmen hat bei mir eine Weile gebraucht. In dieser Zeit war es natürlich überhaupt nicht einfach für mich.

Gehen wir noch weiter zurück in der Zeit: 2014 hast du mit dem Cheerleader-Remix einen Mega-Hit gelandet, warst in den USA nach Milli Vanilli erst der zweite deutsche Künstler auf Platz 1 der Charts. Gab es einen Moment, in dem du realisiert hast, dass das Ganze eine größere Dimension annimmt?

Der erste große Moment war noch kurz vor dem Cheerleader-Remix, als ich meinen ersten Verlagsdeal unterschrieben habe, und so viel Vorschuss bekommen habe, dass ich wusste, ich kann davon jetzt ein, vielleicht sogar zwei Jahre leben. Da hatte ich mein Ziel erreicht, als ich gemerkt habe, dass ich von meiner Musik leben kann. Davor waren es immer nur SoundCloud-Klicks, und das hat mich zwar gefreut, aber finanziell hat es mir gar nichts gebracht. Ich komme aus einer Unternehmerfamilie, da musste ich mich immer beweisen und war das schwarze Schaf, der Künstler, der brotlose Kunst macht. Ich konnte zwar sagen: „Schau mal, ich habe hier zwei Millionen SoundCloud-Plays, voll cool oder?“ Und dann kam als Antwort immer: „Ja und was bringt dir das? Wie viel hast du damit verdient?“ (lacht) Als ich dann den ersten Verlagsdeal hatte, kam plötzlich richtiges Geld rein. Da habe ich realisiert, dass ich das weitermachen kann, dass das jetzt ernst wird.

Mit dem frühen Erfolg kamen auch die großen Shows; Copyright: Viktor Schanz

Du hast einmal gesagt, dass du Parallelen zwischen dir und Mario Götze siehst, der 2014 das Siegtor im WM-Finale geschossen hat, weil man immer an seinem frühen Erfolg gemessen wird. Hast du dir selbst, im Speziellen in der Zeit nach dem Cheerleader-Remix, Druck gemacht, dass du den Erwartungen gerecht werden musst?

Ja, ich musste als erstes meine eigenen Erwartungen wieder herunterschrauben, weil für mich alles so selbstverständlich war. Davor hatte ich ein paar kleinere Indie-Releases und ein paar SoundCloud-Geschichten. Aber ein, zwei Jahre, nachdem ich eigentlich erst angefangen hatte, mich mit Musikproduktion zu beschäftigen, hatte ich schon diese riesigen Erfolge mit „Cheerleader“ und „Ain’t nobody“. Da dachte ich, das geht immer so weiter. Und dann gab es Zeiten, wo zum Beispiel „Bonfire“ in den deutschen Charts auf Platz 3 gelandet ist, vor uns zweimal Justin Bieber. Da war ich eine Zeit lang echt gefrustet, dass das „nur“ eine 3 in den Charts war. Und klar, es ist auch Platin gegangen, war ein super Erfolg, aber ich war gewohnt, dass alles auf die 1 geht. Darauf muss man erst einmal klarkommen, dass das überhaupt nicht selbstverständlich ist, sondern die krasse Ausnahme. Das hat auf jeden Fall eine Weile gedauert, zu realisieren, wie gering eigentlich die Wahrscheinlichkeit ist, dass jedes Lied so ein Erfolg ist.