Felix Jaehn

„Als ob ich immer einen Filter vor den Augen gehabt hätte“ – Felix Jaehn im Interview

Zu dieser Zeit hattest du auch Panikattacken, du selbst sprichst von einer Angststörung. Ab wann hat das ungefähr angefangen?

Die ersten Anzeichen kamen ziemlich schnell, nachdem ich erfolgreich geworden bin. Ich hatte auch schon als Jugendlicher häufiger Kopfschmerzen und Verspannungen, die ich mittlerweile auf die Psyche zurückführen kann. Das kam auch daher, dass ich aufgrund meiner Bisexualität eher unsicher und verängstigt war, und wenn man verspannt ist, schlägt sich das natürlich auch auf den Körper nieder. Aber dass ich mental fertig war und es dann wirklich mehr wurde, kam dann mit dem Erfolg und dem vielen Reisen. Jeden Tag im Flugzeug, die riesigen Shows spielen, noch vor dem Langstreckenflug schnell ins Hotelzimmer, einen Anzug angepasst kriegen und ab zur Award-Show auf den roten Teppich. Ich wurde nur noch durchgeschleust, hatte gar kein Privatleben mehr. Darin habe ich mich ganz schön verloren. Da kommt man gar nicht mehr richtig hinterher, das alles zu verarbeiten.

Panikattacken sind ja ziemlich individuell. Wie haben sie sich bei dir geäußert?

Bei mir gab es verschiedene Phasen. Manchmal war es so, dass ich Zuhause in ganz banalen Situationen, zum Beispiel wenn mich Freunde oder Familie gefragt haben, ob ich noch ein Brötchen möchte oder so, auf einmal kaum mehr Luft bekommen, Blackouts bekommen, nur noch schwarzgesehen habe. Ich bin dann ganz taub geworden, lag manchmal auch über längere Zeiträume zusammengekauert auf dem Boden und schon das kleinste Knistern war für mich ein riesengroßer Alptraum.

Dann gab es auch die Panikattacken, die für mich noch ein bisschen unangenehmer waren, nämlich in öffentlichen Situationen wie in einer Hotellobby oder in einem Restaurant, wo ich einfach nur noch wegrennen wollte, wo ich vom einen auf den anderen Moment das Gefühl hatte, ich kann jetzt hier nicht bleiben. Dann musste ich immer kurz rausrennen an die frische Luft, um mich wieder zu fangen. Das war natürlich deutlich einschneidender, weil ich mehr noch in die Vermeidung gegangen bin, um diese Situationen einfach nicht mehr zu erleben. Ich bin eine Zeit lang nicht mehr in den Supermarkt gegangen und habe das Haus alleine nicht mehr verlassen. Immer musste jemand bei mir sein, weil ich Angst hatte, alleine vor die Tür zu gehen.

Felix litt an Panikattacken; Copyright: Felix Jaehn

In den letzten drei Jahren hast du eine Selbstfindungsphase durchlebt, in der sich dein Fokus verändert hat, was sich jetzt auch auf dem Album äußert: in den Inhalten, in der Musik. Du sagst heute von dir selbst, dass du ein entspannterer Mensch bist. Wie hast du das geschafft? Und wie äußert sich das heute in deinem Verhalten?

Ich glaube, es ist ein Zusammenspiel aus verschiedenen Sachen. Essenziell ist für mich, mir genug Ruheräume zu nehmen, also immer mal wieder raus aufs Land zu fahren, in der Natur zu sein, komplette Stille, auch den Flugmodus abends anzuschalten und erst ein paar Stunden, nachdem ich aufgestanden bin, wieder auszuschalten. Dass ich mich wieder wirklich in der Realität bewege, und nicht immer nur in dieser digitalen Blase. Den Konsum weitestgehend herunterfahren, weniger Serien schauen, ich habe zum Beispiel keinen Fernseher mehr, einfach Reize reduzieren – das war sehr entscheidend. Ich war in Hypnosetherapie, in der ich extrem viel transformieren und auflösen konnte, das war sehr heilsam. Auch die tägliche Meditation ist für mich ein Tool geworden. Für mich ist gerade eine Phase, in der ich fertig bin, „durchtherapiert“ quasi, es ist fürs Erste alles aufgearbeitet, was da so war – aber das Leben geht ja weiter, und es kann sich immer mal was anhäufen. Durch die tägliche Meditation bleibe ich reflektiert und ausbalanciert, das ist ganz wichtig. Und natürlich versuche ich, auch allgemein gesund zu leben, also Ernährung, Sport machen, kalt duschen. Es gibt ja tausend Tipps und Tricks und Ebenen, auf denen man angreifen kann, um sowohl Körper als auch Geist fit zu halten und gesund zu machen.

Und was sich geändert hat: Eigentlich alles. Ich habe eine komplett andere Wahrnehmung von der Realität, es ist, als ob du immer einen Filter vor den Augen gehabt hättest, und auf einmal sieht alles viel schöner aus. Ich nehme Situationen ganz anders wahr, ich sehe anders, ich höre anders, ich lebe und interagiere anders, ich fühle mich wohler in zwischenmenschlichen Situationen. Ja, es ist eigentlich alles besser (lacht).