Fenster ins Gehirn: Gedankenlesen leicht erklärt

Z: Von allen Lebewesen hat der Mensch wohl das mit Abstand komplexeste Gehirn, doch wie sieht es mit Tieren aus? Können wir in naher Zukunft erwarten, die Gedanken unserer Haustiere zu lesen, vielleicht sogar zu kontrollieren?

H: Ich denke, dass wir eine Theorie des Bewusstseins erst beim Menschen entwickeln müssen. Wenn wir dann wirklich verstanden haben, wie wir zu unseren Gedanken und Gefühlen kommen, dann können wir diese Theorie auch auf Tiere anwenden. Ein Rest an Unsicherheit wird aber auf jeden Fall bleiben, wenn wir die Artengrenze überschreiten. Aber die Vorstellung von Descartes, dass Tiere nur komplexe Maschinen sind, die keine Gedanken und Gefühle haben, ist sicherlich hinfällig.

Z: Im Buch taucht häufiger die Diskussion nach dem freien Willen des Menschen auf: Wie groß wäre die Gefahr des Einblicks in die Gedankenwelt eines Menschen oder sogar deren Beeinflussung für unseren freien Willen? Und sind wir am Ende doch nur Sklaven eines Supercomputers, welches wir „Gehirn“ nennen?

H: Wir befinden uns mit dieser Diskussion in bester Gesellschaft. Über die Willensfreiheit wurde bereits in der Antike gestritten. Schauen wir uns zwei verschiedene Sichtweisen auf die Willensfreiheit an. Die einen sagen: „Wenn der Fortgang der Welt schon vorherbestimmt wäre, wäre ich ja meiner Freiheit beraubt.“ Die anderen sagen: „Was stört es mich, wenn die Welt vorherbestimmt ist, solange ich das tun kann, was ich möchte?“ Vorherbestimmung muss also nicht als Gefängnis empfunden werden, solange wir so entscheiden, wie es mit unseren Zielen, Wünschen und Bedürfnissen vereinbar ist. Auf Ihre Frage übersetzt könnte man etwas salopp formulieren: Solange mein Gehirn Entscheidungen fällt, mit denen ich einverstanden bin, was soll ich mich daran stören?

Was die Frage nach der Beeinflussung angeht: Wir beeinflussen ja bereits heute ständig andere Menschen und werden von ihnen wiederum beeinflusst. Jeder Gesichtsausdruck, jede Kritik und auch jedes Lob ist so eine Beeinflussung. Die Frage ist also: Wird das alles noch viel leichter, sobald wir eines Tages das Gehirn einmal vollständig verstanden haben? Ich denke nein, denn die Reaktion eines Gehirns auf verschiedene Manipulationsversuche vorherzusagen, wird extrem schwer. Bereits das Dreikörperproblem* in der Physik zeigt uns, dass selbst in viel einfacheren Systemen Vorhersagen sehr schwierig sind.

*Falls dir das Dreikörperproblem nichts sagt: Hier wird es kurz und bündig erklärt.