Musik: Wie können kleine Festivals überleben?
Hier ein persönlicher Throwback: Geht es um Festivals, war ich schon auf dem splash!, dem Summerjam, der Rheinkultur und dem Melt. Festivals sind in meiner Erinnerung mit langen Anfahrtswegen, Dixie-Klos und Campen im Matsch verbunden. Es ist vier Jahre her, dass ich das Maifeld Derby in Mannheim, ein Festival vor meiner Haustür sozusagen, zum ersten Mal besuchte. Das war im Sommer 2012 und das Festival war weitestgehend unbekannt. Damals spielten Friska Viljor, Frittenbude, Blood Red Shoes und Olli Schulz als Headliner.
Was mich damals durchaus überrascht hat: Hochkarätige Bookings, die aus verschiedenen Ländern kommen, sich abseits vom Mainstream verorten lassen, und trotzdem – oder gerade deshalb – eine ausgewiesene Anhängerschaft haben. Gleichwohl stellte ich mir 2012 die Frage: Wie schafft es ein kleines Festival, das von einer überschaubaren Menge an Menschen besucht wird, sich zu finanzieren? Die Künstler wollen ihre Gagen, die Stadt Mannheim erhebt allerhand Kosten (unter anderem für die Geländenutzung des MVV Reitstadions in Mannheim) und Mitarbeiter müssen schließlich auch bezahlt werden. Zudem hatte das Maifeld Derby 2012 mit starken Regenfällen und schlechtem Wetter zu kämpfen, was spontanen Besucher gewiss einen Strich durch die Rechnung machte. Ein Nullsummenspiel (best case) beziehungsweise ein Minusgeschäft (worst case) also?
Vier Jahre später findet das Maifeld Derby zum sechsten Mal statt. Waren die Unterstützer vor vier Jahren vorwiegend regionaler Herkunft – der öffentlich-rechtliche SWR, die Zeitung Mannheimer Morgen, das Magazin Meier oder das Künstlerportal Regioactive sind Medien aus dem Südwesten Deutschlands –, ist es mittlerweile überregional bekannt und wird unter anderem von der taz, fritz-kola oder egoFM gesponsert. Dieses Jahr hat man beim Booking aber noch mal eins draufgesetzt: Flume, Boy, Daughter, Explosions in the Sky, Käpt’n Peng, Mø und – James Blake. Dem Festival scheint es gut zu gehen. Wie zu Hölle stellen die Macher solches Rahmenprogramm zusammen? Wie bleibt ein Festival wie das Maifeld Derby rentabel?
Quereinsteigen macht erfinderisch
Timo Kumpf ist der Veranstalter des Maifeld Derby. Er ist Mitte 30, groß gewachsen, hat braune mittellange Haare, eine kleine Wampe und spricht mit einem Odenwälder Einschlag und viel Herzblut über das Festival, das er vor sechs Jahren zum ersten Mal auf die Beine gestellt hat. „Mit 18 Jahren habe ich angefangen, Tours zu buchen. Damals bin ich in das Musikbusiness reingestolpert, habe anschließend an der Popakademie in Mannheim Musikbusiness studiert und bin seitdem als Musiker und Veranstalter tätig“, sagt Kumpf.
Neben seiner Tätigkeit als Festivalorganisator ist Kumpf auch der Bassist von Konstantin Gropper aka Get Well Soon. Er kennt also beide Seiten der Medaille: Als Musiker weiß er, wie undankbar und beschwerlich das Geschäft sein kann. Als Organisator des Maifeld-Derby und Konzertveranstalter in der Region versucht er aus den Erfahrung auf Tour Lehren zu ziehen – und es besser zu machen.
Die Anfänge des Maifeld Derby sind dabei eng mit seiner Tätigkeit als Bassist bei Get Well Soon verknüpft. In diesem Sinne ist die Geschichte Kumpfs auch die eines Quereinsteigers. „Ich wollte schon immer ein Festival machen, aber wusste nicht wie“, sagt er. Aus der Not machte er kurzerhand eine Tugend: Bei der ersten Auflage des Maifeld Derby 2011 spielte Get Well Soon und befreundete Bands wie Wallis Bird. So wusste Kumpf, wer die Musiker im Programm sind und konnte die Gagen niedrig halten
Qualität und familiäre Stimmung
Fragt man ihn heute danach, was sein Geheimrezept sei und wie er bei der Konzeption des Festivals vorgehe, erinnert vieles von dem, was er sagt, an die Anfänge des Maifeld Derbys. „Die Bands, die ich buche, sind Projekte, von denen ich persönlich überzeugt bin und bei denen ich mich auf die Künstler verlassen kann. Qualität und familiäre Stimmung sind mir wichtig“. Was sich seit 2011 verändert habe? „Naja, im Prinzip ist vieles gleich, es ist halt einfach ein bisschen größer geworden“, lacht er.
Dabei muss man sich das Maifeld Derby immer noch als relativ kleines Festival vorstellen, das nicht zwangsläufig Chartstürmer und Teenager-Magneten bucht. Zwar sind jedes Jahr eine Handvoll Acts von internationalem Rang und Namen im Programm, aber das Festival versteht sich auch als Förderer von unbekannteren Projekten und vielversprechenden Newcomern.
Mehr noch: Kumpf will mit dem Maifeld Derby auch beweisen, dass Genregrenzen gesprengt werden können. Der Fokus liege zwar auf Indie-Rock und Singer-/Songwriter-Projekten, aber mittlerweile vereint das Festival ganz verschiedene musikalische Einflüsse. Rapper wie Astronautalis und Muso waren ebenso Teil vom Rahmenprogramm wie elektronische DJs und Hardcore Bands. In diesem Jahr findet sich kenianischer Folklore-Gesang (Ogoya Nengo), ein Klavierkonzert (Martin Kohlstedt), ein Poetry Slam und eine Lesung im Rahmenprogramm. Insgesamt 80 Bands und Künstler spielen an den drei Tagen des ersten Juni-Wochenendes.
„Ich habe das nie verstanden, warum Festivals immer so festgefahren auf eine Musikgattung sein müssen. Kann ja sein, dass ich mal Bock auf Metal habe, aber dann schaue ich mir ein, zwei Bands an, kriege dort beim Pogo auf die Fresse – aber habe danach keinen Bock von zehn weiteren Bands nochmal auf die Fresse zu bekommen. Stattdessen suche ich mir lieber ein ruhiges Akustik-Konzert“, erklärt Kumpf die Mischung von Genres auf dem Maifeld Derby.
Workaholic-Dasein, das sich lohnt
Ein Festival wie das Maifeld Derby Jahr für Jahr auf die Beine zu stellen, erfordert viel Aufopferung und Geduld, aber auch Cojones in der Hose und Belastbarkeit. 2012 buchte Kumpf beispielsweise Nils Frahm, den damals noch „keine Sau kannte“. Zwar kam das Konzert letzten Endes nicht zu Stande, aber man hatte bewiesen, dass man nicht scheut, Künstler zu buchen, von denen man glaubt, sie werden sich langfristig durchsetzen.
Die kanadische Sängerin Anaïs Mitchell, die vor vier Jahren noch ein No-Name war, ließ Kumpf kurzerhand mitsamt Ehemann und Kind in seiner Wohnung übernachten – weil er daran glaubte, dass ihr Auftritt zu Stande kommen müsse. Später wurde Mitchell von Justin Vernon aka Bon Iver entdeckt – und avancierte zu einem Geheimtipp unter klassischen Folk-Hörern.
In diesem Jahr erwartet das Maifeld Derby einige Tausend Besucher, ein Rekord erscheint möglich. An das erste Juni-Wochenende will Kumpf aber noch nicht denken. „Die nächsten Wochen werden die Hölle – aber im Endeffekt lohnt sich ein Projekt wie dieses. Gerade kann ich mich noch nicht daran erfreuen, aber wenn du mich nach dem Festival fragst, werde ich der glücklichste Mensch der Welt sein“. Es bleibt eben ein Liebhaberprojekt, bei dem Kumpf und sein Team nicht davor scheuen, Überstunden zu schieben, um etwas Besonderes auf die Beine zu stellen. Jetzt aber muss Kumpf erstmal wieder los, zurück in sein kleines Büro im Mannheimer Szeneviertel Jungbusch. Es wartet noch eine Menge Arbeit auf ihn.