Freundschafts-Apps: Gesünder als Online-Dating?

Links – links – hmm… links – rechts – links: Swiping-Apps haben unser Datingleben revolutioniert. Ja-oder-nein Entscheidungen im Sekundentakt sind der neue Status Quo des Kennenlernens. Im Stil der kurzen Videos von Instagram und TikTok machen sich Grindr, Tinder und deren unzählige Sprösslinge unsere kurze Aufmerksamkeitsspanne im Internet zu nutze. Wir schauen schnell, lesen schnell, urteilen schnell.

Das Prinzip ist bekannt: Nutzer*innen werden Profile von Menschen aus ihrer Umgebung vorgeschlagen, die sie dann nach rechts (Like) oder links (Dislike) wischen können. Haben sich zwei Profile gegenseitig gelikt, wird die Chatfunktion freigeschaltet und die beiden können Nachrichten und Bilder austauschen oder sich zum Rendezvous verabreden.

Warum wir swiping Apps lieben

So weit, so oberflächlich – aber effektiv: mittlerweile resultieren fast 40% aller Beziehungen aus Online-Bekanntschaften. Insgesamt gibt es über 270 Mio. Dating-App-Nutzer*innen weltweit. Das ist nicht überraschend, denn Swipen macht die Partnersuche so unterhaltsam wie noch nie. App öffnen, 5 Minuten wischen, App schließen: der ideale Zeitvertreib, bequem und unverbindlich. Tinder ist Candy Crush für Millennials. Und macht noch viel süchtiger.

Denn Dating-Apps halten uns nicht mit bunten Grafiken und poppigen Animationen bei Laune, sondern spielen mit unserem Verlangen nach Intimität. Egal ob männlich, weiblich, divers, egal ob straight oder queer, egal ob feste Beziehung oder lockeres Treffen – jede*r kann fündig werden. Von diesem Versprechen werden Nutzer*innen angelockt. Jedes Profil ist eine neue Chance, jedes Match ein kleiner Dopaminkick.

Jedoch können sich diese Glücksgefühle schnell zum Gegenteil wandeln, wenn solche Erfolgserlebnisse länger ausbleiben oder der/die Angebetete nach drei Tagen noch immer nicht zurückschreibt. Studien weisen darauf hin, dass Nutzer*innen von Dating-Apps eher zu Depressionen und Angststörungen neigen. Ein Dating-Alltag voll Abweisung und Ghosting trägt einen enormen Teil dazu bei. Das eigene Selbstwertgefühl leidet darunter: Wer immer wieder enttäuscht wird, gibt sich selbst dafür die Schuld.

Ein „harmloser“ Gegenentwurf

Eine scheinbar unbedenkliche Alternative dazu bietet unter anderem Bumble an: bei der feministischen Antwort auf Tinder kann man nicht nur per Bumble Date die große Liebe finden, sondern über die BFF-Option auch neue Freundschaften knüpfen. Auch dieses Konzept hat schon einige Nachahmer (z.B. FriendsUp) hervorgebracht. Warum auch nicht? Platonisches swipen klingt wie ein spannender Weg, um interessanten Menschen außerhalb der eigenen Bubble zu begegnen. In Wirklichkeit sind Freundschafts-Apps aber für viele sogar noch frustrierender als ihre Dating-Pendants. Das liegt vor allem daran, dass sie genauso oberflächlich sind.

Egal ob BFF oder Date – bei Bumble zählt in erster Linie das Aussehen. Im Dating-Kontext mag das Sinn ergeben (schließlich ist dort das Aussehen Grundvoraussetzung für Attraktivität), doch kommt es auf platonischer Ebene eher auf gleiche Interessen, politische Einstellungen oder Hobbys an. Das kann man zwar angeben, muss man aber nicht. Nur die wenigsten erstellen ein wirklich aussagekräftiges Profil. Nutzer*innen berichten auch, dass sie das Gefühl haben, sich verstellen zu müssen, um nicht anzuecken. Daher gibt es oft keine Basis, auf der man eine wirkliche Freundschaft aufbauen kann und ein Großteil der Gespräche ist nach etwas Smalltalk schnell wieder vorbei.

Auf einer Plattform, die einzig und allein dafür da ist, mit anderen zu connecten, sind solche Erlebnisse meist noch deprimierender als erfolgloses Tindern. Man fühlt sich nicht bloß romantisch abgewiesen, man fühlt sich aus einer Community sozial ausgeschlossen. Und weil wir platonische Ablehnung viel weniger gewohnt sind als romantische, nehmen wir sie umso persönlicher. Wenn jemand nicht mit uns schlafen will, sind wir enttäuscht, wenn jemand nicht mal mit uns reden will, sind wir verletzt.

Natürlich haben Freundschafts-Apps auch viele positive Seiten: sie können uns mit Menschen verbinden, denen wir sonst nie begegnet wären. Dazu sind sie extrem unterhaltsam. Dennoch sollten uns die toxischen Dynamiken von Bumble BFF und co. bewusst sein, bevor wir uns auf sie einlassen. Vor allem sollten wir möglichst wenig Zeit und Emotionen in sie investieren. Denn tun wir das nicht, können wir uns auf der Suche nach Zuneigung selbst das Herz brechen.

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Bildquelle: Elevate via Pexels; CC0-Lizenz