Frauen essen Bruschetta

Fütterer is(s)t anders: Ernährungsumstellung – ein Problem für dein Umfeld

Dein Umfeld hat Angst – aber keine Ahnung

Rückblickend sind diese Reaktionen witzig, früher haben sie mich sauer gemacht. Mittlerweile weiß ich, dass meine Liebsten nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Unsicherheit, Angst und Unwissen so gehandelt haben. Unsicherheit, dass das Ganze in einer Mangelernährung enden wird, wenn ich kein Fleisch mehr esse und keine Kuhmilch mehr trinke. Angst davor, dass ich vielleicht auch noch in anderen Bereichen „abdrehe“ und mein komplettes Leben auf den Kopf stelle. Davor, dass viele schöne Traditionen (wie das gemeinsame Steak-Essen im Urlaub) verloren gehen. Dass ich mich weiter von ihnen entferne. Und, so leid es mir tut, das zu schreiben: Unwissen über gesunde Ernährung und fehlende Empathie für meine Werte haben sicherlich auch eine große Rolle gespielt.

In den Augen meiner Eltern (die früher zu den Moralaposteln und Verführern, heute zu Übervorsichtigen gehören) muss ich wahrscheinlich plötzlich gegen Dinge rebelliert haben, über die sie sich selbst vorher kaum Gedanken gemacht haben. Und gegen Werte, die sie vorher nie in Fragen gestellt haben. Das ist hart. Und ich hätte bestimmt geduldiger mit ihnen sein müssen, wenn sie mich auch nach drei Jahren wiederholt gefragt haben, ob Olivenöl vegan ist. Schließlich wollen sie mit diesen Fragen nur sichergehen, dass sie es mir recht machen.

Leben und leben lassen

Der ganze Wirbel um mich und meine problematische Ernährung hat sich mit den Jahren zum Glück gelegt. Meine Familie und meine Freund*innen sind offener gegenüber einer pflanzlichen Ernährung geworden. Wenn ich zu Besuch komme, dann gibt es nicht immer etwas Extra für mich, sondern wir essen immer häufiger alle gemeinsam vegan. Und ich habe tatsächlich meine Mitmenschen dazu inspiriert, weniger Fleisch zu essen. Ganz passiv, ohne Missionierungsauftrag.

Aber auch heute dreht sich oft die halbe Konversation noch um Ernährung. Häufig haben die Menschen anscheinend das Bedürfnis, ihr Gewissen zu erleichtern und sich von mir ein Okay für ihr Essverhalten abzuholen. Mit erwartungsvoll aufgerissenen Augen schießen mir Aussagen wie „Ich esse nur noch ganz selten Fleisch und wenn, dann nur vom Bio-Metzger nebenan“ entgegen, wenn Menschen erfahren, dass ich mich vegan ernähre. Im Gegensatz zu früher versuche ich heute gelassener darauf zu reagieren und ihnen zuzuhören. Denn ich finde es toll, dass das Thema Ernährung immer mehr in das Bewusstsein der Menschen rückt.

Letztendlich entscheidet jeder selbst, was und was nicht er essen möchte. Ich finde aber, dass das die Angelegenheit eines jeden Einzelnen ist. Ich verurteile niemanden, der Fleisch isst. Denn das habe ich vorher ja auch zur Genüge gemacht. Allerdings möchte ich auch nicht verurteilt, belehrt oder blöd angemacht werden, weil ich lieber Kichererbsen und Tofu esse. Getreu dem Motto: Leben und leben lassen. Oder eben essen – und essen lassen.

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Bildquelle: Foto von Adrienn von Pexels; CCO-Lizenz