Gen Z zu Unrecht verurteilt? – Ein Professor räumt mit Vorurteilen auf
Martin Schröder, Professor für Soziologie an der Universität des Saarlandes, widerspricht nicht nur den gängigen Klischees über die Generation Z: Er hält das ganze Konzept von Generationen für wissenschaftlich nicht haltbar.
Dies sagte Schröder in einem Interview im Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Die Generation Z sei faul, verwöhnt und arbeitsscheu, beschweren sich Anhänger älterer Generationen immer wieder. Doch Generationen einfach aufgrund ihres Geburtsjahres zu charakterisieren, sei laut Schröder nicht möglich.
[…] die Vermutung, ich könnte dadurch erklären, wie Menschen denken, wenn ich weiß, wann sie geboren wurden, findet man in grossen Umfragen nicht bestätigt.
Prof. Martin Schröder
Junge Menschen heute seien nicht grundsätzlich anders als junge Menschen früherer Generationen. Unterschiedliche Einstellungen könnten viel eher durch Alterseffekte erklärt werden.
Mit dem Alter ändern sich die Prioritäten
Die Gen Z will weniger arbeiten – genau so wie die jungen Leute jeder anderen Generation vor ihnen. Die Arbeitsmoral unterscheide sich nicht nach Generationen, sondern nach Lebensphasen, meint Schröder. Selbst die gleiche Person habe mit 20 Jahren andere Prioritäten als später mit 45. Dieser Unterschied sei ein normaler Prozess des Älterwerdens und nicht spezifisch für eine bestimmte Generation.
Wir alle sind anders als früher.
Prof. Martin Schröder
Schröder verweist zudem darauf, dass ähnliche Einstellungen auch unter älteren Arbeitskräften zu finden seien. Dies gelte besonders in Zeiten niedriger Arbeitslosigkeit, wo man sich höhere Ansprüche generell eher leisten kann. Die wirtschaftlichen Bedingungen beeinflussen die Arbeitseinstellung also stärker als die Generationenzugehörigkeit.
Wenn Sie als Arbeitnehmer einen Arbeitsmarkt haben mit niedriger Arbeitslosigkeit, dann können Sie auch viel fordern, denn Sie finden sowieso einen guten Job.
Prof. Martin Schröder
Warum bleiben wir trotzdem beim Generationenkonzept?
Martin Schröder erklärt in einem Blogbeitrag, dass der Glaube an Generationen eine ähnliche Funktion wie früher (und für viele leider noch immer) Sexismus oder Rassismus hat. Unser Gehirn neigt dazu, Menschen in Gruppen einzuteilen, um sie für uns berechenbarer zu machen. Dieses Gefühl von Gruppenzugehörigkeit wird dann oft dazu genutzt, die eigene Gruppe und damit sich selbst aufzuwerten und andere Gruppen abzuwerten.
Beschweren sich ältere Generationen über „die Gen Z“, dann tun sie das oft nur, um sich selbst besser darzustellen. Umgekehrt kann dies natürlich auch passieren: Leute einfach nur als „Boomer“ abzustempeln und ihr gesamtes Verhalten darauf zurückzuführen, ist genauso unfair.
„Generationismus“: Eine neue Form der Diskriminierung
Dass Merkmale wie Geschlecht oder Hautfarbe wenig über eine Person aussagen, ist inzwischen weithin bekannt. Und selbst wenn Unterschiede existieren würden, so Schröder, wäre es dennoch ungerecht, Individuen auf Basis solcher Gruppenmerkmale zu bewerten, anstatt sie als einzigartige Individuen zu behandeln. Will man wissen, wie jemand tickt, ist es in keinem Fall ausreichend, sich nur auf Dinge wie Geschlecht oder Hautfarbe zu stützen.
Die Einteilung und Bewertung von Menschen anhand ihres Geburtsjahres funktioniert nach den gleichen Mechanismen – Kategorisierung, Stereotypisierung und zuletzt Diskriminierung, die auf einem meist sichtbaren, angeborenen Merkmal basiert.
Nur das Merkmal der Diskriminierung zu wechseln, sollte sie nicht akzeptabler machen: Dennoch lassen wir Diskriminierung und Stereotypisierung aufgrund einer (vermeintlichen) Generationenzugehörigkeit immer noch durchgehen. Darüber, dass Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und Hautfarbe ein Skandal ist, sind sich die meisten inzwischen einig – warum also sollten wir irgendeine andere Form der Diskriminierung akzeptieren?
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