Geschlechterbilder und Sexismus: Der lustige Mann, die ernste Frau
Männer sind die, die Witze machen – Frauen sind die, die lachen. Derartige Geschlechterbilder finden sich offenbar in den Köpfen vieler Menschen wieder.
Ich war vorgestern auf einem Poetry Slam. In zwei Runden traten jeweils vier Künstler*innen gegeneinander an. Im Finale standen dann zwei Männer mit Texten über Supermarkt-Rabatte und das Glühwein-Trinken. Das Publikum hat geklatscht, gelacht, gejubelt. Ich nicht. Denn irgendwas daran fand ich unfair. Die Texte der Männer waren lustig, ja, erinnerten aber mehr an Stand-Up-Comedy. Weniger an das Spiel mit den Worten, weniger an den Witz und Geist eines lyrischen Vortrags, weniger an eine Botschaft, die das Publikum berührt. Weniger an das, was einen Poetry Slam eigentlich ausmacht. Die Vorträge der Frauen handelten von dem Gefühl nach einer Trennung, einer Liebeserklärung an sich selbst, einem herzkranken Kind. Besonders gefiel mir auch der Vortrag über das Outing einer Teilnehmerin. Sie hat mit den Worten gespielt, ihr Gefühl mit einem eintönigen Pullover verglichen, der zu heiß gewaschen wurde und ihr nicht mehr passen wollte. Ihre Stimme war melodisch und poetisch. Keine der Frauen schaffte es ins Finale. „Es ist eben immer der humorvolle Mann“, sagte eine Kellnerin in der Bar, in der der Slam stattfand.
Ich will nicht sagen, dass die Siege der Männer unverdient oder sexistisch bedingt sind. Ich frage mich aber tatsächlich, was dran ist am humorvollen Mann. Haben die Frauen mit ihren Themen von Anfang an keine Chance gehabt?
Humor kommt an, Männer auch
Alle Poetry Slams, bei denen ich bisher war, gewann ein humorvoller Text. Na gut, vielleicht ist das eben einfach so. Die Menschen wollen nun mal unterhalten werden. Daran ist auch erst einmal nichts verkehrt. Ich habe aber das Gefühl, dass oft der Text gewinnt, der die lustigste Geschichte erzählt und noch dazu ein paar Schimpfwörter enthält. Ob lyrische Elemente Teil des Auftritts sind, scheint oft eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Alle Poetry Slams, bei denen ich bisher war, gewann außerdem ein Mann. Das ist natürlich nicht repräsentativ und sicherlich auch nicht immer so. Trotzdem fällt es irgendwie auf. Selbst, wenn Frauen lustige Texte vortragen, scheinen sie weniger gut anzukommen als die der Männer. Ist das ein gesellschaftliches Problem?
Das Narrativ sitzt tief
Der lustige Mann, die ernste Frau: Das ist ein Narrativ, das sich in vielen Situationen des Alltags wiederfindet. Ein Beispiel dafür sind Sitcoms, fast immer sind es die Männer, die sich wie Kinder verhalten. Die lustigen Dads eben, die dann von der ernsten Mums gestoppt werden. Frauen werden in solchen Serien oft als Spaßbremsen inszeniert. Etwas, was sich auch in den Köpfen vieler Menschen gefestigt hat. Ich wurde oft mit Sätzen konfrontiert wie „Ach, Mädchen machen so einen Quatsch doch nicht“ oder „Das hätte ich jetzt nicht gedacht, dass du so etwas lustig findest“. Erst neulich hat eine Freundin mir erzählt, dass sie sich mit einem alten Bekannten getroffen hat. Er sei ganz erstaunt gewesen, dass sie alleine reise und wofür sie sich so interessiere. Denn er dachte, sie sei auch eine von diesen „Nageltussis“.
Auch im Social Media Bereich sind Männer eher in der Comedy-Sparte vertreten als Frauen. Das liegt jedoch nicht nur an persönlichen Interessen. Das zeigen die Ergebnisse einer Studienreihe der MaLisa Stiftung: „Die befragten YouTuberinnen verweisen auf Hürden, die es erschweren aus dem Themenumfeld Beauty auszubrechen und sich neue Genres wie Comedy oder Politik zu erschließen. Sie berichten von engen Zuschauererwartungen und damit verbunden kritischen, mitunter bösartigen Kommentaren, sobald sie den normierten Erwartungen widersprechen.“ Das Narrativ, dass Frauen nicht lustig sein sollen, scheint also ganz schön tief zu sitzen und sich nur schwer bewegen zu lassen.
Das muss sich ändern
Ob all das beim Poetry Slam vorgestern eine Rolle gespielt hat, weiß ich nicht. Bewusst vermutlich nicht. Kunst bleibt außerdem immer subjektiv und das ist auch gut so. Jemand anderes hat den Abend vielleicht ganz anders bewertet als ich es tue. Was ich aber weiß, ist, dass Humor und Frauen in den Köpfen vieler Menschen nicht wirklich zusammenpassen. Und das muss sich ändern.
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Bildquelle: Andrea Piacquadio von Pexels; CC0-Lizenz