Alltagssexismus: Edition Autobahn
Es war die schönste Vorfreude. Semesterferien, Praktikum geschafft und Aussicht auf eine kleine Reise in den Süden, um alte Freunde zu besuchen. Diese Reisen, die seit einem Jahr so oft abgesagt werden müssen, die wir so sehr vermissen. Und ein Roadtrip ist aufregend – aber das leider auch im negativen Sinne. Denn was ich ganz vergessen hatte: Auch im Straßenverkehr ist Sexismus allgegenwärtig.
Und der beginnt nicht erst, wenn ich den Motor starte, sondern auch schon, wenn ich auf Blablacar Mitfahrer suche. Es ist gar nicht der Fall, dass ich sexistische Nachrichten bekommen würde oder belästigt werden würde. Es ist dieses ungute Gefühl, wenn ich eine Nachricht bekomme, die einen fordernden Klang hat, das Profilfoto ein junger Mann, der irgendwie hart und abgebrüht aussieht. Oder Nachrichten mit seltsamen Fragen, ob ich bei mir zuhause losfahre, von Männern über 60. Mein Bauchgefühl sagt mir: Ich will keine sechs Stunden mit diesen Menschen auf engstem Raum verbringen. Unangenehm. Ich antworte dann einfach nicht oder sage ab, obwohl ich Platz hätte. Und dann habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ganz offensichtlich Vorurteile habe. Dass ich Männern etwas unterstelle, dass ich eine vorgefertigte Meinung habe, obwohl ich von diesen Menschen nichts kenne als ein Profilfoto und eine Nachricht. In diesen Momenten kämpft mein Verstand mit meinem Bauchgefühl. Aber am Ende gilt die Devise: better safe than sorry. Und die Statistik der Gewaltstraftaten gegen Frauen gibt mir Recht. Eine Erhebung der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (2014) zeigt, dass jede dritte Frau nach ihrem 15. Lebensjahr in irgendeiner Form Opfer physischer oder sexueller Gewalt wurde. Kein Wunder, dass Mama sich Sorgen macht, wenn ich nachts allein nach Hause laufe.
Und dabei bin ich wirklich nicht ängstlich. Ich laufe nachts allein durch die Gegend wie es mir beliebt. Das höfliche Angebot „Soll ich dich nach Hause begleiten?“ lehne ich stets ab. Ich will unabhängig und frei sein, mich nicht einschränken müssen. Ich will nicht für meine Sicherheit von meinen männlichen Freunden abhängig sein. In der Hinsicht bin ich ein Trotzkopf. Und damit manchmal auch das Sorgenkind der Familie oder im Freundeskreis. Und trotzdem habe ich so einige Verhaltensweisen internalisiert, die mir wenigstens ein klein wenig Sicherheit garantieren sollen. Und dazu gehört, Mitfahrer abzulehnen, wenn sie mir komisch vorkommen. Als ich gerade so sprechen konnte, hat Mama mir beigebracht, ich muss nicht mit Fremden sprechen und ich darf immer Nein sagen.