Liebe Sex Paartherapie Attraktivität Beziehung

10 Fragen, 10 Antworten: Ich finde meinen Partner nicht (mehr) attraktiv – was nun?

Auf der App Swish haben viele anonyme Userinnen kürzlich die Gründe angegeben, warum sie nicht mehr mit ihrem Partner schlafen wollen. Dabei wird offensichtlich, dass einige Frauen im Laufe der Beziehung ihren Partner nicht mehr attraktiv finden und deswegen jegliche sexuelle Handlungen mit ihm vermeiden. Dennoch beteuern sie, ihren Partner immer noch zu lieben. Aber kann das funktionieren? Woran liegt diese Entkörperlichung eigentlich? Und wie reagieren wir, wenn wir unseren Partner irgendwann nicht (mehr) attraktiv finden und keinen Sex mehr wollen?

Auf diese Fragen konnte die Paar- und Sexualtherapeutin Dr. med. Heike Melzer im Gespräch mit ZEITjUNG Antworten geben. Mit frappierender Direktheit und Schonungslosigkeit hat sie das Beziehungsverhalten unserer Generation analysiert, die Wichtigkeit von Sex beleuchtet und erklärt, was wir machen können, wenn wir das Gefühl haben, uns körperlich von unserem Partner zu entfernen.

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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz

1. Gibt es auch bei jungen Menschen das Phänomen der Entkörperlichung?

Dr. med. Heike Melzer: Man kann seinen Partner attraktiv finden, aber trotzdem nicht mehr mit ihm schlafen wollen. Das gibt es in allen Altersgruppen. Die Attraktivität hat natürlich auch eine Zeitkomponente, die dabei eine Rolle spielt. Es gibt folgende Phänomene. Wenn man in einer festen Partnerschaft ist, lässt man sich ein bisschen gehen. In der Eroberungsphase betreibt man ein bisschen Aufwand und wenn man den Partner im sicheren Hafen hat, dann mutet man sich dem Partner von der nicht so schönen Seite zu. Dann gibt es den Coolidge-Effekt, der den sexuellen Überdruss und die mangelnde Ansprache von sexuellen Funktionen, zum Beispiel Errektions- oder Lubrikationsstörungen, beschreibt, wenn man immer den gleichen Partner vorgesetzt bekommt. Wir haben ja ganz widersprüchliche Grundbedürfnisse, einerseits den Wunsch nach Liebe und Sicherheit und andererseits den Wunsch nach Leidenschaft sowie Abenteuer. Das passt nicht ganz zusammen, denn Liebe braucht Nähe und Erotik braucht Abstand. Wenn wir lange einen Partner und einen stressigen Alltag haben, dann lässt der Spaßfaktor und auch die Attraktion wieder nach. Das kann durchaus sein, dass man den Partner noch sehr liebt, aber das ist fast ein Widerspruch, dass egal, wenn man jemandem sehr nah ist, dass sich da noch eine richtige erotische Spannung aufbaut. Das ist ja das Dilemma, in dem die Liebe sitzt.