Hassobjekt Phubbing Smartphone Sucht

Hassobjekt: Phubbing – Lasst eure Smartphones doch bitte in der Tasche!

Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: „Phubbing“.

Ein Hassobjekt von Nini Fritz

“I fear the day technology will surpass our human interaction. The world will have a generation of idiots.” Albert Einstein

Man nehme irgendeine Stadt, in irgendeinem (internetfähigen) Land, irgendein Restaurant, um irgendeine Uhrzeit und man hat eine 100%-ige Trefferquote folgende Situation zu beobachten: Ein Pärchen, das sich schweigend gegenüber sitzt, während das helle Licht des Smartphone-Displays in ihre emotionslosen Gesichter scheint. Kommt Dir das bekannt vor? Na dann, herzlichen Glückwunsch – da haben wohl mal wieder zwei vor deinen Augen ganz schamlos und ausgiebig gephubbt.

Hassobjekt Phubbing Smartphone Sucht

Phubbing – say what?!

Phubbing – klingt komisch is’ aber so – ist das Cola-küsst-Orange von Phone & Snubbing (deutsch: ignorieren, missachten) und bezeichnet damit das soziale Phänomen seine Aufmerksamkeit während einer Face-to-Face Unterhaltung lieber seinem Smartphone zu widmen als dem fleischigen Etwas, das sich hinter der viereckigen Smartphone-Silhouette befindet. Der „Phubber“ ist dabei der Bösewicht, der lieber durch Insta scrollt und der „Phubbee“ die arme Wurst, die sich währenddessen nur so semi-interessant vorkommt.

Klar, Handys sind schon ganz cool, aber man muss ja nicht gleich übertreiben. Das Alllround-Wunder Smartphone – das neben Wecker, Wettervorhersage und Schrittzähler ursprünglich mal dazu gedacht war, Menschen mit einem Klick von Buxtehude bis nach Honolulu zu verbinden, ist gerade dabei, die Menschen, die nur eine Tischlänge entfernt sind, immer mehr voneinander zu entfernen bis die menschliche Interaktion irgendwann völlig flöten geht.

Touchscreens machen uns weniger touchy

Unsere Smartphones sind mittlerweile eine Wesens-Erweiterung unserer selbst, Apps charakterisieren unsere Persönlichkeit und die Lebensfähigkeit des Akkus ist wie unser Sauerstoff zum Leben. Mit unserem ständigen Kontrollcheck-Zwang sind wir ihnen quasi sklavisch unterworfen. Sage und schreibe 221 mal checken wir am Tag durchschnittlich unser Handy und hoffen dabei insgeheim bei jedem Klick, dass irgendjemand da draußen gerade an uns denkt und sich mit uns verbinden möchte. Was wir dabei oft vergessen: Die schönste und einfachste aller Verbindungen. Nämlich die mit dem Menschen, der da gerade vor uns sitzt, den wir anfassen, anlächeln, anspucken und abknutschen können. Touchscreens machen uns also irgendwie weniger touchy.

Dabei muss es nicht immer ein hardcore „Phub in your face“ à la Ich-scrolle-lieber-als-mich-mit-Dir-zu-unterhalten sein. Es reicht schon, wenn das Handy einfach nur mit dem offenen Display auf dem Tisch liegt und der Gruppenchat-verlauf der „Zuckerpuppen-aus-der-Bauchtanztruppe“ gerade über die Brunch-Verteilung diskutiert, bei dem man sowieso keine Zeit hat. Ob man direkt zum Handy greift oder mehr oder weniger gekonnt versucht die Nachrichten zu ignorieren, ist eigentlich egal. Sobald die Augen kurz wandern, weiß der andere gleich, dass auch die mentale Aufmerksamkeit der hier anwesenden Zuckerpuppe auf das gerade aufgepoppte Gespräch umschwingt. Fun Fact: Eine einzelne Vibration oder Aufblinken des Smartphones erfordern übrigens schon ganze 46 Sekunden unserer Aufmerksamkeit bis wir wieder vollkommen im Gespräch anwesend sind (Stohart, Mitchum, & Yehnert, 2015). Und ach sowieso, alles blöd. Laut einer Umfrage soll dem Phubbee sogar auch das Essen schlechter schmecken. Und da hört der Spaß wirklich auf, Freunde.

Generation Beziehungsunfähig

Unsere Handyabhängigkeit ist vor allem für die Love-Birds unter uns ein Problem. Die schlauen Wissenschaftler Roberts & David (2016) haben herausgefunden, dass Phubbing zu viel Streitpotential führt, weil Love-Bird Adenkt, dass Love-Bird B das Handy und alles was darin abgeht, viel aufregender findet. Das kratzt dann am Ego und endet schließlich in größerer Unzufriedenheit mit der Beziehung und sowieso der Gesamtsituation.

Eine Alternativ-Erklärung von Wilhelm Hoffmann der Chicago University lautet: Der Drang Social-Media zu checken ist heutzutage stärker als der Drang nach Sex. Das ist natürlich auch nicht unbedingt ein Beziehungs-Zufriedenheits-Booster.

Go phub yourself!

Summasummarum, egal ob Love-Bird oder normalsterblicher Gesprächspartner, durch den Phub ist das Selbstwertgefühl erstmal ist im Eimer. Und wie wir ja bekanntlich alle wissen, ist Rache süß und (Phubbing-)Karma ’ne Bitch. Also spielt uns unser Gehirn einen Streich und signalisiert, dass wir gerade vom Aufmerksamkeits- und Informationskreis ausgeschlossen werden. Der steinzeitliche ,,Fight or Flee“-Alarmmodus wird aktiviert, weshalb wir dann innerhalb der nächsten zehn Sekunden selbst unser Handy rausholen, um uns die Bestätigung und Anerkennung, die wir gerade in der Real Life Welt nicht bekommen durch Klicks und Likes in der virtuellen Welt des vermeintlich wunderheilenden Social Media zu suchen.

Phubbing ist also nicht nur eine eklige, ansteckende Krankheit, sondern eine regelrechte Epidemie. Sozusagen der Domino-Day der End-2010er, bei dem die klare Unterscheidung von Phubber und Phubbee und wer eigentlich damit angefangen hat ganz schön wischiwaschi wird. Irgendwann sind wir dann alle identifiziert und sitzen nur noch schweigend mit dem Smartphone nebeneinander.

Fürs Protokoll: Phubbing macht uns also zu unaufmerksamen Gesprächspartnern mit Minderwertigkeitskomplexen und Beziehungsknacks, die oberflächliche Gespräche führen ohne sich dabei anzuschauen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, ist die eigentliche Cherry on Top aber die Tatsache, dass das Ganze total normal geworden ist in unserer Gesellschaft. So wie bei Rot über die Ampel zu gehen. Sollte man eigentlich nicht, aber wir tun es trotzdem alle. Wir sollten uns deshalb mal fragen: Ist es vielleicht nicht unser Smartphone, sondern unser Leben das zur großen Ablenkung vom Smartphone wurde?

Des Rätsels Lösung

Nachdem uns jetzt allen der Hass ganz tief in den Knochen steckt, unser Kopf feuerrot ist und wir plötzlich um uns herum nur noch Phubber und Phubbees sehen, gibt es (zum Glück) doch noch ein kleines bisschen Hoffnung. Ein unbekannter Magier hat ZEITjUNG ganz exklusiv einen Wahnsinns-Zaubertrick zur großen Phubbing-Gegenrevolution verraten (Trommelwirbel….): Handy beim nächsten Treffen in der Tasche lassen. Die größten Geschenke, die wir einem Menschen in unserer informationsüberladenen, schnelllebigen Gesellschaft schenken können sind nämlich Zeit und bedingungslose Aufmerksamkeit.

Einfach mal im Moment sein, den emotionslos versendeten lachtränen-weinenden Emoticon gegen richtiges Bauchweh vor Lachen eintauschen, ein paar Likes durch eine fette Teddybärumarmung ersetzen. Es lag schließlich noch keiner im Sterbebett mit den Worten „Ich bereue es wirklich zutiefst, dass ich nicht mehr Zeit auf Social Media verbracht habe.“ Nicht genügend Quality Time, gute Gespräche und Umarmungen mit den Herzensmenschen vermissen wir dann allerdings schon.

Amen.