Hassobjekt: Schlechter Kaffee – Die Plörre aus der Hölle
Jeder kennt sie, jeder hasst sie und doch brauchen wir sie wie die Luft zum Atmen: Nervige Klientele und unnütze Gegenstände des Alltags, über die man sich so richtig schön echauffieren kann – da geht es den ZEITjUNG-Autoren nicht anders. Deshalb lassen wir unserer Wut in der Reihe „Hassobjekt“ einfach freien Lauf und geraten überspitzt in Rage. Eins ist sicher: Nichts ist uns heilig und keiner wird verschont. Dieses Mal auf der Abschussliste: Schlechter Kaffee.
Es ist Wochenende. Sommer. Dornröschen erwacht aus ihrem Schlaf, reckt und streckt sich so richtig genüsslich und stellt mit einem Blick auf die Uhr fest, dass sie tatsächlich mal ausgeschlafen hat, ohne das komplette Jahr zu verschlafen. Es ist die perfekte Uhrzeit, der perfekte Morgen. Die Sonne scheint. Die Vögel zwitschern. Irgendwo im Hintergrund läuft Easy like Sunday morning in der Fiedel-Version. Sie überlegt kurz: Wann hat sie sich eigentlich das letzte Mal so leicht wie eine Feder gefühlt? Die Antwort bleibt in der Luft hängen, genau wie der Kaffeeduft. Genau, Kaffeeduft. Dass sie eigentlich Single ist und alleine in der Burg wohnt, spielt gerade keine Rolle. Sie steht beflügelt auf, gleitet wie auf Samtpfötchen in die Küche, sieht den dampfenden Krug mit der Aufschrift Beste Prinzessin der Welt und denkt sich: „Ja!“ Sie greift danach, saugt den Duft Südamerikas ein und fühlt sich gleichzeitig wie in einem Dallmayr Prodomo Werbespot. Und dann, als sich ihr Kopf ganz leicht nach hinten bewegt, um endlich das schwarze Gold durch ihren Körper fließen zu lassen, in genau dem Moment, als der erste Schluck ihren Gourmet-Gaumen berührt und es eigentlich nicht mehr besser werden kann… spuckt sie den Kaffee in hohem Bogen angewidert aus.
„Was’n das für ‘ne Plörre?“
Mit der Aussicht auf so ein wässriges, grässliches Zeug wäre wohl auch Dornröschen einfach noch ein paar Hundert Jahre liegen geblieben. Wer könnte es ihr verübeln? Schlechter, die Geschmacksknospen und kulinarischen Grundsätze verletzender Kaffee gehört verbannt – und zwar aus jeglichen Haushalten, öffentlichen und privaten Einrichtungen, Cafés und anderen gastronomischen Lokalitäten (insbesondere Fast-Food-Ketten mit lustigen Clowns), Reise- und Transportpunkten und der Gesamtheit aller Automaten, den Königen der Plörre-Produktion.
Zugegeben, vielleicht habe ich ein klitzekleines Trauma. Im Laufe meines Lebens musste ich nämlich, besonders in Unizeiten, oft schlechten Kaffee trinken. Notgedrungen natürlich, so mit der Pistole auf der Brust und Lösegeldforderung. Am meisten gelitten habe ich da bei Automaten-Kaffee. Denn in dem Moment, in dem man das Knöpfchen drückt und sieht, wie der dünne Strahl bereits nach einer halben Milisekunde transparent wird, weiß man eigentlich schon, dass Apparate mit Münzeinwurf einfach nichts Gutes ausspucken können. Mal abgesehen davon, dass man dafür tatsächlich noch bezahlen muss – und nicht wenig. Was rechtfertigt eigentlich 2,50 € für einen mikroskopischen, grottenschlechten Kaffee aus einem Plastikbecher am Flughafen? Ist da etwa Gold drin? Zwei Ryanair-Rubbellose zum Preis von einem? Ein Rabattcode für eine Cluse-Uhr?
Instantkaffee vs. Automaten-Kaffee – Pest vs. Cholera
Aber auch löslicher Kaffee hat bei mir seine Spuren hinterlassen. Vielleicht liegt es daran, dass ich im Ausland eine Zeit lang keinen Espressokocher hatte – nicht mal Omas alte Filtermaschine – und mir eben mit abgepackten Kaffee-Krümeln aushelfen musste. Ich habe also jeden Morgen zwei bis drei Löffel Seramis in heißem Wasser aufgelöst – und tatsächlich getrunken. Da bekommt das Wort Fruchtbarkeit doch eine ganz neue Bedeutung…
Aber das Schlimmste, das wirklich Allerschlimmste, an schlechtem Kaffee ist sein betrügerisches Wesen. Er spielt nämlich mit unseren Gefühlen. Er weiß ganz genau, dass wir sein Koffein jetzt so dringend nötig haben, dass der Tag mal wieder 30 Stunden hat und uns noch ein Horror-Nachmittag bevorsteht. Er weiß, dass wir ohne ihn nicht leben oder zumindest kein zivilisierter Mensch sein können. Er weiß das und lockt uns trotzdem mit seinem Duft und der Vorstellung gerösteter Kaffeebohnen. Und wir armen, einfältigen Dornröschen laufen ihm hinterher, wähnen uns schon in Sicherheit und glauben, dass sich dieser eine Kaffee, egal aus welcher Quelle er kommt, doch noch in ein göttliches Elixier verwandeln kann. Pustekuchen.
Alternative zu Kaffee? Alter-was?
Ja, ja, böse Zungen könnten jetzt behaupten, man müsse doch gar nicht zu Kaffee greifen, um richtig wach zu werden (oder wach zu bleiben). Da gäbe es ja auch noch Sport oder so. Kalte Dusche. Frische Luft. Pfefferminze. Vitamine. Musik. Am Abend vorher einfach eher schlafen gehen. Dem Verstand mal ein Päuschen gönnen. Böse Zungen könnten auch behaupten, das sei ein Luxusproblem, schließlich hätten die Menschen früher auch mit Muckefuck überlebt, sie hatten ja nichts anderes. Und überhaupt sei Kaffee ungesund.
Ich höre, was diese bösen Zungen sagen. Ich höre es wirklich. Ich verstehe es nur nicht. Kaffee ist schließlich mehr als nur Reanimation eingeschlafener Gehirnzellen, Mittel zum sozialen oder amourösen Zweck, Darmassistent und Alltagsritual. Kaffee ist ein Genussmittel. Und als solches sollte es eben auch für sich allein funktionieren. Wenn man erst ein Kilo Zucker in die Brühe hineinschütten muss, um sie trinkbar zu machen, dann dürfte wohl auch den letzten Koffein-Dilettanten der Verdacht beschleichen, dass Genuss anders schmeckt.
Übrigens wird schlechter Kaffee grundsätzlich nur noch von kaltem Kaffee getoppt. Und Menschen, denen schlechter Kaffee nichts ausmacht, werden grundsätzlich nur noch von Menschen getoppt, die ihren Kaffee gerne kalt trinken. Und wir reden hier nicht von Frozen Iced Frappé haste nicht gesehen. Wir reden von Kaffee, den man kalt werden lässt und erst dann trinkt. Diese Menschen gibt es. Ich kenne sie persönlich. Aber das, liebe Freunde des guten Kaffees, ist eine andere Geschichte.
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Bildquelle: Unsplash unter CC0 Lizenz