Die Angst vor Krankheiten bestimmt Louisas Alltag

Hypochondrie: Wenn das Treppensteigen zur Herausforderung wird

Hypochondrie heißt Angst haben. Angst vor Krankheiten, Angst vor Leid und Angst vor dem Tod. Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist davon betroffen.

Louisa geht die Treppe nach oben, sie muss in den zweiten Stock. Schon unten macht sie sich Sorgen. Darüber, dass ihr Herz zu schnell schlagen könnte, darüber, dass ihr die Luft ausbleiben wird. Und war da nicht vorhin schon so ein komisches Stechen in ihrer Brust? Schnupfen hat sie auch. Aber was, wenn sie gar nicht deswegen schlechter Luft bekommt? Was, wenn etwas mit ihrer Lunge nicht stimmt? Allein das Treppensteigen löst ein Gedankenkarussell in ihr aus. Keine Seltenheit für Louisa: denn sie hat Hypochondrie.

Hypochondrie bezeichnet die übermäßige Angst davor, krank zu sein. Diese Ängste gehen über ein normales Maß hinaus, sodass Betroffene stark in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind. Meistens betreffen die Ängste Krankheiten, die ein langes Leiden und den Tod bedeuten könnten. Beispiele dafür sind Herzinfarkt, Schlaganfall oder Krebserkankungen. Gesundheitsängste treten oftmals auch in Verbindung mit Panikattacken auf.

„Mein Herz hat gerast“

„Vor ein paar Monaten war ich überzeugt davon, dass ich herzkrank bin“, erzählt Louisa. Sie hatte in wenigen Wochen mehrere Panikattacken, hielt es aber jedes Mal für einen Herzanfall. „Mein Herz hat gerast“, sagt sie. „Ich habe dann keine Luft mehr bekommen und am ganzen Körper gezittert.“ Diese Befürchtungen hat Louisa seit dem Kindergarten. „Ich kann mich noch genau erinnern – ich stand in meiner Kindergartengruppe und war neidisch auf die anderen. Weil ich überzeugt davon war, dass ich krank bin und bald sterben müsste, während die anderen noch ihr ganzes Leben vor sich hätten.“

Die Ursachen für die Hypochondrie liegen oftmals in Kindheit und Jugend der Betroffenen. Ein Grund dafür kann ein angstfördender Erziehungsstil sein. So machen Kinder die Erfahrung, dass Krankheiten oder Verletzungen immer etwas Schlimmes sind. Andere Ursachen sind eine eigene Erkrankung in der Kindheit oder die eines Familienmitglieds.

Sie hat sich geschämt

Woher Louisa ihre Ängste hat, weiß sie nicht. „Eigentlich trifft keine der Ursachen auf mich zu“, sagt sie. „Ich hatte eine behütete und schöne Kindheit.“ Trotzdem hat sie sich vor Arztbesuchen unter dem Bett versteckt – aus Angst vor einer schlimmen Diagnose. Nachts hat sie geschrien und geweint – aus Panik, dass sie im Schlaf sterben könnte. Mit 15 dachte sie, dass sie Krebs im Hals hätte. Sie war so überzeugt davon, dass sie irgendwann nicht mehr schlucken konnte. „Im Restaurant musste ich mein ganzes Essen zurückgeben lassen“, erzählt sie. Gesprochen hat sie jedoch mit niemandem darüber: sie hat sich geschämt.

Menschen mit einer Hypochondrie thematisieren ihre Ängste häufig nicht und versuchen sie vor anderen geheim zu halten. Problematisch ist, dass der Begriff „Hypochonder“ oft abfällig für wehleidige Menschen verwendet wird und nicht von hypochondrischen Störung differenziert wird. Typische Symptome sind häufige Arztbesuche sowie die ständige Kontrolle des eigenen Körpers.

„Ich kann mich an keinen Tag erinnern, an dem ich mir keine Gedanken über meinen Gesundheitszustand gemacht habe“, erzählt Louisa. Sie ist gerade auf der Suche nach psychologischer Hilfe. Und die ist wichtig, denn in vielen Fällen treten zusätzlich zu der hypochondrischen Störung weitere Krankheiten auf, vor allem psychische Leiden wie Angststörungen oder Depressionen. Louisa hofft. Hofft, dass sie irgendwann wieder eine Treppe nach oben gehen kann, ohne sich unzählige Gedanken machen zu müssen.

Mehr zum Thema:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Pixabay von Pexels; CC0-Lizenz