All In erscheint im März in der ARD Mediathek

Interview mit Daniel Popat: „Uns macht aus, dass wir nicht viel denken, sondern einfach machen“

Ab dem 20. März gibt es die Mumblecore-Serie „All In“ in der ARD-Mediathek. ZEITjUNG hat sich mit Daniel Popat, einem der Regisseure, unterhalten. Ein Gespräch über Improvisation, Leidenschaft und den deutschen Film.

Jamu und Uwe haben nichts zu verlieren: sie sind zwei Automatenzocker, die sich gegenseitig in Schwierigkeiten bringen, nur um sich dann wieder gemeinsam herauszuboxen. Jamu (Daniel Popat) kommt aus Indien, ist illegaler Flüchtling, der um keinen Preis abgeschoben werden möchte. Uwe (Heiko Pinkowski) ist aus Deutschland, Egoist und ihm sind alle Mittel Recht, um an sein Ziel zu gelangen. Die ARD-Kurzserie All In erzählt ihre Geschichte. All In: Das Motto gilt auch für die beiden Regisseure Daniel Popat und Marco Hülser, die ihre Darsteller ohne Effekte, Licht, Maske oder Szenen-Bild auf eine irrwitzige Tour-de-force schicken, auf der jedes Mittel recht und nichts heilig ist.

ZEITjUNG: Für die Leute, die dich (noch) nicht kennen: Wer bist du und was machst du?

Daniel Popat: Ich bin Daniel Popat, bin gerade im Diplom meines Filmregie-Studiums und komme eigentlich aus dem Schauspiel. Aktuell spiele ich bei Dahoam is Dahoam einen indischen Pfarrer und demnächst steht der All  In Release auf der ARD Mediathek an.

ZEITjUNG: Du sagst du studierst noch – war All In dann ein Uni-Projekt?

Daniel Popat: Ja, das ist im zweiten Studienjahr entstanden. Wir haben da ein Kino auf dem Campus, wo jeder seine Semesterarbeiten vorstellen kann. Das haben dann Dozent*innen gesehen, die auch auf dem freien Markt Produzent*innen sind. Die haben uns dann sehr unterstützt und uns mehrere Folgen ermöglicht.

ZEITjUNG: Wie würdest du All In ein paar Sätzen beschreiben?

Daniel Popat: Wir sind da ziemlich unbedarft reingegangen und haben dann irgendwann durch die Resonanz festgestellt, dass wir sehr politisch sensible Themen verhandeln. Themen, die man eigentlich mit Samthandschuhen anfassen würde. Und wir machen das sehr spielerisch und frech, versuchen aber gleichzeitig einen Kern an Wahrheit herauszuputzen. Das macht uns aus –  dass wir nicht viel denken, sondern einfach machen. Ja, das ist ein guter Satz (lacht).

ZEITjUNG: Wie bist du auf die Idee zur Serie gekommen?

Daniel Popat: Ich spiele da als Jamu jetzt nicht 1:1 meine Biografie nach. Aber der Themenkomplex ist mir durchaus bekannt. Ich kenne Leute, die mit Ach und Krach versuchen, ihr Bleiberecht in Deutschland zu erhalten und dabei auf die verrücktesten Ideen kommen.

ZEITjUNG: Hat der Themenkomplex denn auch einen Bezug zu deiner Biografie?

Daniel Popat: Meine Mama kommt aus Indien und mein Vater aus Afghanistan. Ich kenne da schon sehr viele Geschichten – unter anderem auch seine und die vieler Bekannter.

ZEITjUNG: Die Darsteller*innen in All In sind komplett ohne Effekte und Maske. Wieso habt ihr euch für diese Art der Inszenierung entschieden?

Daniel Popat: Die Art und Weise, wie wir arbeiten, nennt sich Mumblecore. Das bedeutet: keine Proben, keine Masken- und Kostümbilder, kein künstliches Licht und alle Dialoge improvisiert. Ich komme als Schauspieler selbst aus der Improvisation im Theater, das hat mir immer großen Spaß gemacht. Also habe ich mir überlegt, wie ich das in den Film übertragen kann. So kommt man auf viele neue Ideen und macht die Rollen lebendig. Gleichzeitig ermöglicht uns das, ganz schnell ganz viel zu drehen.

ZEITjUNG: Du sagst, dass alle Dialoge improvisiert waren. Gab es dann gar kein Drehbuch?

Daniel Popat: Irgendetwas muss da sein, sonst funktioniert das nicht. Drehbuch wäre jetzt zu viel gesagt, es war eine Art Konzept da. Es war zum Beispiel klar: Jamu geht jetzt in die Ausländerbehörde, sein Ziel ist es, in Deutschland zu bleiben und der Mitarbeiter sagt, dass das nicht geht. Das sind immer circa drei Plot Points, die am Set ausgetauscht werden. Aber das wars. Die Rollen waren davor eigentlich gar nicht da, Jamu und Uwe haben sich in der allerersten Szene entwickelt und kennengelernt. Wir haben uns davor im Kopf ein bisschen was überlegt, ohne das abzusprechen. So gab es Überraschungen und Intuitionen – davon lebt diese Arbeit.

ZEITjUNG: Und die Schauspieler*innen waren alles Laien?

Daniel Popat: Bis auf die Standesamt-Szene waren das alles Laien. Wir sind losgezogen und haben uns Leute herausgesucht. Wir sind also in die Ausländerbehörde gegangen und haben erst einmal gar nicht so viel erzählt, wer wir sind. Wir haben uns überlegt, wer hätte Mumm vor der Kamera mit wenig Vorgaben eine Rolle zu gestalten – also ein Casting veranstaltet, ohne etwas davon zu sagen. Der Mann in der Ausländerbehörde arbeitet also wirklich da.

ZEITjUNG: Wenn alles improvisiert wird – nimmt das Druck oder macht das Druck?

Daniel Popat: Mir nimmt das absolut den Druck. Durch die Arbeit bei Dahoam is Dahoam kenne ich ja auch das andere. Für morgen muss ich da schon wieder zehn Seiten Text lernen – muss ich heute noch machen (lacht). Aber ich versuche auch da, ein bisschen Improvisation anzubieten und versuche meine Rolle so mitzugestalten.

ZEITjUNG: Viele Regisseure und Filmemacher möchten mit dem Mumblecore darauf aufmerksam machen, was ohne ein großes Budget möglich ist und so die Filmindustrie an den Pranger stellen. Was sollte sich deiner Meinung nach in der Filmindustrie ändern?

Daniel Popat: Sie sollte mehr Experimente wagen. Wir sind für die ARD letztlich ja auch ein Experiment. Aber ich denke, dass es wichtig ist, neue Formate auf die Zuschauerschaft loszulassen und so auch junge Menschen einzufangen. Anders hat man gegen Netflix keine Chance.

ZEITjUNG: Mit welchem Gefühl sollen die Zuschauer*innen All In beenden?

Daniel Popat: Wie bei jeder anderen geilen Netflix-Serie auch: Scheiße, wie geht es jetzt weiter? Dass man gegen den Laptop schlägt und eine zweite Staffel sehen möchte.

ZEITjUNG: Arbeitest du denn derzeit noch an anderen Projekten?

Daniel Popat: Ich arbeite gerade an meinem Diplomfilm, bin nahezu jeden Tag am Set und plane ein paar Konzepte. Lange Rede, kurzer Sinn: ich habe gerade kein Leben außer meinen Job (lacht).

ZEITjUNG: Wenn dein Leben eine Serie wäre: wie wäre ihr Titel?

Daniel Popat: Die hieße auch All In. Weil ich ein Mensch bin, der in jeder Situation versucht, alles herauszuholen und dabei keine Risiken scheut.

Jamu (Daniel Popat) und Uwe (Heiko Pinkowski)

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Bildquelle: Filmakademie Baden-Württemberg/Markus Ott