
„Weltwandlerinnen“: Wie Frauen mit Mut und Vanlife alte Rollenbilder sprengen
Unsere Autorin Simone Bauer hat mit Pauline Picker über ihr neues Buch gesprochen. Das trägt den Titel „Weltwandlerinnen“ und erzählt von Frauen, die um die Welt reisen und dabei heute noch allgegenwärtige Geschlechterklischees über den Haufen werfen.
In diesem Interview spricht Pauline darüber, wie „Weltwandlerinnen“ entstanden ist, wie ihre eigenen Erfahrungen da hineingespielt haben und noch viel mehr.
ZEITjUNG: Wie kam es zu „Weltwandlerinnen“ und was bedeutet der Titel für dich?
Pauline: Ich arbeite schon eine Weile als Lektorin für weibliche Reiseliteratur und habe einige Artikel über die Themen Reisen, Outdoors, Vanlife, etc. veröffentlicht. Mittlerweile lebe ich seit sieben Jahren ohne festen Wohnsitz, bin viel durch die Welt gekommen und habe oft im Ausland gearbeitet. Allerdings hatte ich gar nicht vor, ein Buch zu schreiben – sondern wurde von einem Verlag dazu ermutigt. Wenn sich solche Türen öffnen, muss ich einfach durchgehen und schauen, was passiert!
Es war naheliegend, Einblicke in meine eigenen Erfahrungen als Dauer-Reisende zu geben, aber ich wollte auch andere Perspektiven einladen. Durch meine Arbeit bin ich gut mit vielen spannenden Frauen vernetzt und wollte einen Rahmen schaffen, um auch ihre Geschichten erzählen zu können. Der Titel „Weltwandlerinnen“ birgt für mich eine Doppeldeutigkeit: Er beschreibt Frauen, die auf der Welt wandeln – also sie erwandern, umsegeln, erkunden, durchqueren. Aber dabei eben auch Spuren in den Köpfen der Menschen hinterlassen und für ein gesundes, gleichberechtigtes Bild von Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft einstehen – also Wahrnehmungen, Vorurteile, Klischees und alte Denkmuster wandeln.
Welche Weltwandlerinnen treffen wir in deinem Buch?
Oh, eine große Bandbreite! Dabei wandert der Fokus von der Vergangenheit in die Zukunft und vom sehr Individuellen zum Kollektiven. Den Einstieg machen Sarah und Simone – mit beiden werfe ich einen Blick auf die Themen Feminismus und Historie reisender Frauen. Mit Kathrin spreche ich über Solo-Reisen, mit Franzi über das Reisen und Auswandern als Paar. Mich hat auch interessiert, wie andere Dauer-Reisende Freundschaften pflegen und welche Rolle soziale Kontakte spielen, wenn man permanent unterwegs ist – darüber habe ich mich mit Anna und Malin ausgetauscht, einem Pärchen, das seit 5 Jahren auf einem Segelboot lebt.
Anja hat ihre beiden Kinder aus der Schule genommen, um mit ihrer Familie monatelang die Panamericana zu bereisen – und ihre Ehe zu retten. Die Schwestern Julia und Lisa haben 4 Jahre lang ohne Flugzeug die Welt erkundet, um zukunftsfähige Gemeinschaftsformen kennenzulernen – und leben jetzt in einer eigenen Gemeinschaft im Schwarzwald. Steffi engagiert sich für soziale Projekte in ihrer zweiten Heimat Uganda und Carry vermittelt als Wildnis-Guide in Finnisch Lappland Menschen wieder mehr Zugang zur Natur. Den Abschluss macht Iris, Wissenschaftsjournalistin und Filmemacherin für „Terra X: Faszination Erde“. Mit ihr habe ich beleuchtet, ob und wie wir angesichts des Klimawandels überhaupt noch Reisen können und was ein Blick nach vorn verrät.
Wie war für dich der Schreibprozess – in einer Welt, die immer misogyner wird?
Ist das so? Der Schreibprozess war herausfordernd, aber damit hatte eine misogyne Welt nichts zu tun. (lacht) Natürlich begegnen mir sowohl in Deutschland als auch unterwegs immer wieder veraltete Denkmuster und Mansplaining ist vor allem im Outdoor- und Vanlife-Kontext ziemlich häufig … aber ich würde die Welt, die mir begegnet, nicht als zunehmend misogyn bezeichnen. Das Buch richtet sich ja auch nicht an Männer, die ich von mehr Gleichberechtigung überzeugen will – sondern an Frauen, die sich Inspiration und Empowerment zu alternativen Lebensentwürfen wünschen.

Ein bisschen zu dir: Wie entstand überhaupt deine unbändige Reiselust? Und wie kamst du dahin, wo du heute bist?
Tja, wo genau bin ich denn heute überhaupt? Aktuell lebe ich wieder für ein paar Monate in meinem Van, reise und arbeite von unterwegs an freien Projekten. Diesen Lebensstil hat vor allem mein Sprung in die Selbstständigkeit 2019 ermöglicht – und das permanente Aushalten können von sehr vielen Unsicherheiten. Unterwegs zu sein ist aber einfach mein Default-Mode, dahin finde ich immer wieder zurück, wenn mir das Leben in Deutschland zu laut, zu schnell und zu viel wird.
Fulltime Vanlife in Kombination mit einem kreativen Unternehmen ist allerdings auch Arbeit und oft deutlich anstrengender, als es bei Instagram verkauft wird. Ich bin dennoch gerne immer wieder einige Monate am Stück so unterwegs und suche mir dann wieder für ein paar Monate eine Base, entweder in Deutschland oder im Ausland, wo ich dann auch vor Ort arbeite und mich vernetze. Aus Bewegung und Ruhe wählen zu können, sowohl digital als auch Hands-On arbeiten zu können und dabei immer neue Orte zu entdecken und Menschen kennenzulernen – ich könnte mir kein anderes Leben vorstellen.
Auf welches Projekt dürfen wir uns als Nächstes freuen? Und kann man „Weltwandlerinnen“ vielleicht sogar live erleben?
Ich spiele aktuell mit der Idee, einen Ratgeber zum Thema Fernwandern mit Hund zu schreiben … aber brauche auch eine Pause vom Buch-Schreibe-Prozess. Dieses Jahr stehe ich stattdessen auf relativ vielen Bühnen und halte Vorträge über Solo-Vanlife als Frau, das Leben als Digitale Nomadin sowie meine Fernwanderungen durch Schottland. Ich möchte meinen Fokus erstmal mehr auf meine Tätigkeit als Outdoor-Guide legen und Menschen dabei begleiten, sich selbst in der Natur besser kennenzulernen. Wer weiß, vielleicht gibt es in ein paar Jahren auch Band 2 der „Weltwandlerinnen“ – mit neuen Anekdoten aus meiner kleinen Reise-Welt und vielen weiteren inspirierenden Frauen, die unkonventionelle Wege gehen und dabei die Grenzen in den Köpfen der Menschen verschieben.
„Weltwandlerinnen“ von Pauline Picker erscheint im Juni 2025 bei National Geographic.
Gleich weiterlesen:
- Wieviel fun steckt in „FUN“, dem neuen Buch von Bela B?
- Mother Chappell: Künstlerin nennt Kinderhölle beim Namen und entfacht wütende Debatte
- Bodyshaming, Umstyling, Los Angeles: Eine Halbzeitbesprechung von „Germany’s Next Topmodel“
Folge ZEITjUNG auf Facebook, TikTok und Instagram!
Bild: © Pauline Picker