Wieviel fun steckt in „FUN“, dem neuen Buch von Bela B?

Bela B präsentierte seinen neuen Roman „FUN“ auf der Leipziger Buchmesse und in München. Bereits Ende Januar ist das Werk erschienen und das mit einem sehr aktuellen Thema: Machtmissbrauch in der Musikindustrie. ZEITjUNG war vor Ort.

Leipzig, Buchmesse, der Wind pfeift durch die Gassen und dennoch stehen Menschenmassen vor den Toren des berühmten Glashauses an – seit Stunden, denn der Einlass ist chaotisch. Hat man endlich die Hürde der sich um 10 Uhr morgens öffnenden Türen überwunden und kommt zu Halle 2, zum Stand von Penguin Random House, trifft man auf eine Hiobsbotschaft: Die nächste Schlange, nämlich die zur Signierstunde von Bela B Felsenheimer, müsse aufgelöst werden. Denn unmöglich könne Bela B in eineinhalb Stunden jeden Autogrammwunsch, den es an diesen Morgen in Leipzig gibt, erfüllen. Moment, Bela B, auf der Buchmesse?

Es ist nicht sein erster Roman. Der Schlagzeuger der Ärzte, der mannigfaltige Meilensteine seiner Karriere erlebt hat, vom Schauspielern bis zur zweiten Erfolgsband, hat schon einmal ein Buch geschrieben. „Scharnow“ ist 2019 erschienen. Das neue Werk heißt „FUN“ und spielt im fiktiven Umkreis des Erstlingswerks.

Zwei Tage später. Inzwischen hat Bela B seine Lesetour in Berlin off-gekickt („war ganz okay“), zum zweiten Stop gastiert er im Deutschen Theater in München. Charmant spielt er mit dem Teufel, der im Detail einer solchen Lesereise steckt. Sein Kragen und sein Mikro kämpfen, nicht jedes Wort hat der Drucker korrekt ausgespuckt, manchmal muss er noch an der Betonung arbeiten und überhaupt, ihm seien gestern zwei Logikfehler im Buch aufgefallen, die durchs Lektorat gerutscht sind. Da wäre beispielsweise bei einer so beschriebenen Bewegung das Koks längst in die Luft geflogen, „aber vielleicht kennt der Autor sich nicht mit Drogen aus“.

Eine Geschichte von Machtmissbrauch in der Musikwelt

„FUN“ steht für „just for fun“, „etwas Fun haben“. Es geht um Machtstrukturen, von denen Männer in jedem Bereich profitieren, aber vor allem im Musikbusiness. Erstaunlich eindrücklich schafft Bela es, direkt zu Beginn das Innenleben eines Fangirls einzufangen. Die Zwickmühle zwischen der Liebe zu einer Band und der sexuellen Anziehung zu einem Mitglied, der Angst vor Ablehnung, aber auch der Angst davor, dass unaussprechliche Dinge mit einem geschehen. Bela stellt, illustriert von Comicfiguren auf der großen Leinwand hinter ihm und unterlegt mit Soundeffekten und Musik, verschiedene Figuren vor. Täter. Die Managerin, die nicht alles mitbekommt, und nicht weiß, was sie tun soll, wenn sie es dann doch tut. Der Bodyguard, der Schlafmittel besorgt.

Bela trägt einen bunten Anzug, manchmal Brille, und erfreut sich an dem Grasgeruch, der ihn in München empfangen hat. Er ist ein Politpunker, der es nicht lassen kann, sich direkt zu Beginn gegen den bayerischen Ministerpräsidenten auszusprechen („Es gibt hier eine andere kriminelle Vereinigung [als die Klimakleber] und deren Pate heißt Markus …“). Als seriöser Autor siezt er das Publikum, aber sein Publikum kennt ihn. Die-Hard-Ärzte-Fans, die ihn für ein paar Akkorde auf der mitgebrachten Gitarre der letzten Tour frenetisch feiern („Nimm das, Farin Urlaub!“). Und die erfahren, dass einige Anekdoten an sein echtes Leben angelehnt sind.

Denn natürlich hat Bela die Geschehnisse, die #MeToo später aufarbeitete, mitbekommen. Das sei für ihn auch ein Grund gewesen, dieses Thema aufzuarbeiten, zu recherchieren. Zeitgleich passierte dann er Skandal um Rammstein. Bela verfolgt eine fiktive Band auf Tour, mit allen berechtigten Shitstorms.

Ein Buch über „alte, weiße Männer“ – von einem „alten, weißen Mann“?

Dass ein alter, weißer Mann – und Bela hat kein Problem, sich so zu identifizieren, entspricht es ja nun auch der Wahrheit – ein Buch über patriarchalen Machtmissbrauch schreibt, kann man nun finden, wie man möchte. Natürlich hat da ein extrem berühmter Mann die Chance bekommen über ein Thema zu schreiben, unter dem FLINTA* leiden. Natürlich würde die Öffentlichkeit anders mit dem Buch einer FLINTA*-Person umgehen, egal, wie berühmt sie ist. Gleichwohl geht aber die Öffentlichkeit auch mit seinem Buch gewissermaßen um und letztlich kommt es darauf hinaus, dass marginalisierte Gruppen Allys brauchen.

Und was bleibt ist ein literarisch sehr schön geschriebenes Buch: Eines, das handwerklich auch hervorragend gemacht ist, denn beispielsweise beschreibt Bela im POV weiblicher Figuren nicht deren Körper. Dass diese Figuren andere Körper beschreiben, ist Sinn der Sache, aber der typische „Male Gaze“ und klischeehaftes Arbeiten unzähliger männlicher Autoren („meine Brüste wogen unter meinem Top“ wäre hier ein Beispielsatz) bleibt glücklicherweise aus. Und es gibt sie, die „fun“ny Szenen, denn Humor kommt nicht zu kurz. Niemals auf dem Rücken der Opfer, versteht sich.

Im Podcast „Hotel Matze“ sagte Bela, man müsse, wenn man sich falsch verhalte, die Möglichkeit haben, dies zu korrigieren. Das gilt für viele Relikte vergangener Jahrzehnte, die wir heute mit einer ganz anderen Brille konsumieren. Das Reflektieren von FLINTA*-Positionen ist ein eher neueres Phänomen und Bela B wurde nun mal als junger Mann in den Achtzigern zum Superstar und hatte seine Skandale.

Auch sehe er seine Verantwortung und das sieht nun wirklich nicht jeder seiner Generation so. Darüber hinaus zeichnet ihn aus, dass er intensiv für das Buch recherchiert hat – auch zum Thema Menopause. Vielleicht ist es wie mit der Frauenquote – wenn als Frauen gelesene Personen schon nicht einfach so in Chefsessel gehoben werden, dann ist die Quote hilfreich. Wenn es ein Tabuthema wie die Menopause gibt, aber ein sehr berühmter Mann darüber spricht, dann ist auch das hilfreich. Es öffnet Türen. Hoffentlich ein bisschen schneller als sich die Türen in Leipzig öffneten. Derweil endet der Abend für Bela in München: mit ganz viel Autogramme schreiben …

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Bild: © Frank Schwichtenberg via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0-Lizenz