Japanische Kunst

Stetige Weiterentwicklung: Japanische Kunst zwischen Tradition und bunt

Japanische Kunst ist schon etwas anderes: Bunt, schrill, explizit, abstrakt – wunderschön. ZEITjUNG gibt euch einen kleinen Zugang zu diesen Künstler*innen – vor allem, wo man sie in unseren Breitengraden sehen kann.

Die Welle, ne?

Jaja, die Welle. Vor Kanagawa. Aber eigentlich vom Ukiyo-e-Künstler Katsushika Hokusai. Ukiyo-e sind diese berühmten japanischen Holzschnitte und dieser besondere wird auf zahlreiche Produkte gedruckt. Ein ebenso bekanntes wie auch schlüpfriges Motiv dürfte „Der Traum der Fischersfrau“ sein, bei dem eine schöne Frau von einem Oktopus befriedigt wird. Ein Auftakt für das Zusammentreffen von Erotik und Kunst im sonst doch so konservativen Japan. Die japanische Malerei wurde als Kunstform im 17. Jahrhundert in der Edo-Periode gefestigt. Eine Zeit, in der man zum Beispiel Homosexualität fast freier ausleben konnte als heutzutage …

Die Idee der damals entstandenen Portraits von Kabuki-Darstellern als Holzschnitte griff die Graffitikünstlerin Juuri auf – und sprühte diese in Japan und Amerika als Street Art an Wände. Japanische Kunst vermischt immerhin oft Tradition mit Moderne. Es gibt aber auch eine komplett andere Möglichkeit, Portraits entstehen zu lassen: Etwa, wenn man einen Faden um Nägel wickelt – so geschaffen von Wahl-New-Yorkerin Kumi Yamashita.

Nicht nur in der traditionellen Kunst, sondern auch in der oft sehr avantgardistischen Mode, die aus Japan kommt. Yumi Nakazato upcycelt beispielsweise nicht nur Leder, Baumwolle, Spitze und Leinen, sondern auch das Kimonotextil „Nishijinori“, und färbt alles mit natürlicher japanischer Indigofarbe in einem Prozess namens „Aizome“. Diese Form des japanischen Batik – salopp gesagt – kann man bei einem Besuch in Tokushima selbst erleben, denn dort werden die Indigopflanzen geerntet.

Manchmal entsteht aber auch etwas völlig Neues, Abgefahrenes. Beim Stichwort „Pop Art“ denkt man sofort an Andy Warhol. Doch der große Künstler bewunderte tatsächlich auch eine japanische Künstlerin – und kopierte sie bisweilen: Yayoi Kusama, die Mutter der Pop Art. Diese wurde lange in ihrer Heimat nicht für ihre schrille Kunst anerkannt. Sie schreckte nämlich nicht davor zurück, Phallusse zu zeigen – nur eben sehr bunt angestrichen. Inzwischen wurde ihr in Tokio ein ganzes Museum gewidmet. Man konnte aber auch bis vor kurzem einen ihrer berühmten, gepunkteten Kürbisse auf der „Kunstinsel“ Naoshima am Meeresufer stehen sehen. Leider fiel dieser einem Taifun zum Opfer und wurde weggefegt. Keine allzu große Sorge, man konnte ihn aus den Wellen retten und restaurieren!

Hast du Katzenfotos gesagt?

Klar, in Japan liebt man alles, was süß und flauschig ist. Katzen sind Teil der beliebten Kawaii-Kultur, nicht nur wegen Hello Kitty. Absolut gar nicht süß ist japanische Fotokunst – jedem wird hier sofort der Name Nobuyoshi Araki einfallen. Auch er ist einer, der expliziten Content produziert. Der Fotograf zeigt Nacktheit und Sex schonungslos, gerne mit Blick in die Abgründe der Protagonisten. Noch dazu in einer wahnsinnigen Menge – alleine in Fotobandform gibt es 350 Bücher von ihm.

Dann wäre da aber noch Miyoko Ihara. Sie dokumentierte die Beziehung ihrer Großmutter und deren Katze im 2011er Fotoband „Misao the Big Mama and Fukumara the Cat“. Sehr berührend!

Klingt ja super, aber wo kann ich japanische Kunst außerhalb Japans sehen?

Die Reisemöglichkeiten nach Japan sind momentan noch sehr eingeschränkt und Tourismus eigentlich nicht existent. Aber fear not! In der Pinakothek der Moderne in München hängt „Osaka“, ein von Takesada Matsutami erschaffenes Werk von Rot, Orange und Blau auf Weiß. Matsutami war Teil der avantgardistischen Gruppe Gutai: Diese setzte sich ab Anfang der 1950er Jahre zum Ziel, die traditionelle Kunst des Landes auf den Kopf zu stellen, nach dem Motto „nicht kopieren, alles erfinden“. In diesem Sinne mischte Matsutami Malereien und Zeichnungen mit Druck- und Performancekunst. Er experimentierte beispielsweise mit Vinylkleber und schuf damit sowie mit Hilfe von Luftfächern und seinem eigenen Atem einzigartige Figuren.

Bis 6. Juni könnt ihr unter dem Namen „Shin Hanga“ im Museum für Ostasiatische Kunst Köln dem modernen Farbholzschnitt näherkommen. Diese hier sind deutlich kitschiger als man es vom traditionellen Ukiyo-e kennt – sozusagen die erste Weiterentwicklung in der Geschichte der japanischen Kunst. Die Edo-Romantik ist also durchaus sehenswert! Die Werke entstanden bis 1960 und dokumentieren damit den Weg von der sich schminkenden Geisha hin zum sich schminkenden „Modern Girl“, wie die Frauen der goldenen Zwanziger genannt wurden.

Bis 8. Juni macht darüber hinaus „Van Gogh Alive“ Halt in Hamburg. Ein Abschnitt der einstündigen Show, die mit Licht, Musik und Projektion arbeitet, widmet sich der Inspirationsquelle Japan, die Vincent van Gogh unter anderem den „Blühenden Mandelbaum“ malen ließ. In der Ausstellung erfährt man den sehr persönlichen Hintergrund für dieses Bild. Weitere Gemälde wurden ebenfalls von japanischen Holzschnitten beeinflusst. Eben der Anfang von aller japanischen Kunst!

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Bildquelle: Engin Akyurt von Pexels; CC0-Lizenz