nenet mann before they pass

Das Fremde, das Ferne, das Faszinierende

Im tiefen Blick des Nenet-Mannes, Angehöriger einer ethnischen Gruppierung in Sibirien, spiegelt sich ganz klein der Fotograf Jimmy Nelson. Es lässt sich viel in diesen Blick legen: Stolz, Stärke, Würde. Er zieht einen in den Bann. Aber der Blick auf ihn reflektiert auch den Betrachter das, was er in ihm sieht und die Art und Weise, wie er ihn darstellt. Es ist kein einseitiger Blick. Er geht in beide Richtungen und ist vielleicht deshalb so tief.

Aber wer ist er, dieser Fremde? In Zeiten des Kolonialismus wurde die Welt in den exotischen Orient und den abendländischen Okzident geteilt. Das Orientalische war Projektionsfläche für das Fremde, das Andersartige, das Aufregende. Edward Said kritisiert in seinem Werk „Orientalismus“ dieses hierarchische Verhältnis: “The relationship between Occident and Orient is a relationship of power, of domination, obvarying degrees of a complex hegemony.“ Nicht zuletzt hat diese Abgrenzung der westlichen Welt dazu gedient, sich selbst zu definieren.

 

Im Dialog mit den Völkern

 

Wie viel facettenreicher, vielschichtiger und beeindruckender die immer noch existierenden Völker in der Welt sind, zeigt Fotograf Jimmy Nelson in seinem umfassenden Foto-Projekt „Before they pass away“. Er hat auf 13 Reisen 44 Länder erkundet und dafür Menschen aus 29 Kulturen porträtiert. Darunter die Maori in Neuseeland, die Mustang in Nepal, die Nenets in Sibirien, die Massai in Kenia und Tansania. Die Fotos sind in dem Buch „Before they pass away“ im teNeunes Verlag erschienen. Auf der interaktiven Homepage können wir seine Reiserouten nachvollziehen, etwas über die verschiedenen ethnischen Gruppen lernen und noch weitere Bilder betrachten. Ihm gelingt es mit diesem Projekt nicht nur auf die reine Existenz dieser Völker aufmerksam zu machen, sondern auch auf die Bedrohung derer Verschwinden.

In einem Ted Talk plädiert Jimmy Nelson dafür, in einen Dialog mit den Völkern zu treten: „Es geht darum, was ihr von uns lernen könnt und was wir von euch lernen können. Von eurer Reinheit, eurer Authentizität und eurer Schönheit. Mit diesem Dialog möchte ich versuchen eine Balance herzustellen, eine Balance, von der ich glaube, dass wir sie verloren haben.“ Und tatsächlich findet dieser Austausch in einem ersten Schritt schon in den Porträts statt. Es sind (Ein)blicke, die uns Geschichten erzählen.