Das erste Mal Karneval in NRW: Ein Erfahrungsbericht

Von frohen Farben, Müll, Musik, Regen und einer Menge Alkohol – so war mein erstes Mal Karneval in Düsseldorf. Helau!

Disclaimer: Der Artikel basiert auf den Erfahrungen unserer Autorin.

Von rechts dröhnt Malle-Schlager, von links das Gegröle alkoholisierter Teenies. Alles ist bunt und dreckig, überall liegen Plastik- und Pfandflaschen. Einige Sammler*innen sind bereits dabei, sie kiloweise in riesige Tüten zu befördern. Die Verherrlichung von Alkohol ist allgegenwärtig. Überall sieht man Menschen, die sich hemmungslos dem Rausch hingeben, als gäbe es kein Morgen. Und dabei regnet es in Strömen. Das ist Karneval 2024 in Düsseldorf.

Es ist der 08.02.2024, 9:00 UhrAltweiberfasching. Während andere sich müde auf den Weg zur Arbeit machen, stehe ich vor dem Spiegel und male mir Glitzer ins Gesicht. Kurz darauf ziehe ich mir meine Elfenflügel an und flechte mir den billigen Amazon-Blumenkranz in die Haare. Ein Blick auf die Wetter-App lässt mich die Augen verdrehen: 6 Grad und Regen – den ganzen Tag über. Warm eingepackt und mit einem Regenschirm bewaffnet machen wir uns auf den Weg zur S-Bahn nach Düsseldorf.

Vor uns sitzt eine Gruppe bunt angezogener Boomer, die bereits in Feierlaune zu sein scheinen. Ein angenehmer Kontrast zum sonst so grauen Deutschland. Neben uns steht ein alter Mann, der sich als Maler verkleidet hat und schon stark nach Alkohol riecht. Das Feeling ist das gleiche wie bei einer Festival-Anreise: Alle sind gut gelaunt, euphorisch und teilweise etwas überschwänglich. Es ist, als ob sich eine Welle der Freude über die Stadt legt, und wir alle sind Teil davon. Alle begrüßen einen mit „Helau!“. Was das genau heißt, weiß ich nicht. Hört sich an wie „Hallo“ mit amerikanischem Akzent. „In Köln sagt man stattdessen ‚Alaaf'“, erzählt mein Freund, „aber das solltest du hier lieber nicht sagen.“

Um 10:00 Uhr kommen wir im Apartment unseres Freundes an. Gemeinsam mit ein paar anderen Freund*innen haben wir beschlossen, den Tag miteinander zu verbringen und uns auf das bunte Treiben der Stadt einzulassen. Erst brunchen wir und stimmen uns mit Schlagerliedern auf die bevorstehende Sauferei ein. Es wird Orangensaft mit Sekt getrunken, dann Weißwein, und als wir losgehen, darf das Wegbier natürlich nicht fehlen. Die Stimmung steigt, und wir lassen den Stress des Alltags hinter uns.

Unser erster Halt ist Rewe. Der Grund dafür? Natürlich noch mehr Alkohol! Hier kaufen wir Mischzeug wie Cola und Saft, ein paar weitere Bier und Feigling-Klopfer. Mittlerweile sind wir alle bereits gut angetrunken. Unter dem Dach eines Einkaufswagenstellplatzes machen wir es uns vorerst gemütlich, um uns weiter zu alkoholisieren.

Gegen 11:30 Uhr holen wir den nächsten Freund ab, der – Überraschung – noch mehr Alkohol für uns hat! Bei ihm zu Hause verweilen wir ein wenig, gehen jeder nochmal schnell pinkeln und ziehen dann weiter Richtung Stadtmitte. Die U-Bahnen sind bereits rappelvoll. „Die armen Menschen, die wirklich nur zur Arbeit müssen“, denke ich mir. Eine Vielzahl an Kostümen ist zu sehen. Am häufigsten: Ski-Fahrer*in, Top Gun, Cowboy*girl und Pirat*in. Die Sorge in mir, dass auch dieses Jahr diskriminierende Kostüme dabei sein könnten, steigt, bestätigt sich aber bis auf Weiteres nicht.

Im Stadtzentrum ist Chaos pur. „Verhältnismäßig wenig“, wie mein Freund mir erklärt, „liegt wahrscheinlich am Wetter.“ Das ganze Getümmel löst in mir ein Gefühl von Unbehagen aus und ich beginne allmählich zu verstehen, warum Leute sich hier so die Kante geben: Anders hält man es wahrscheinlich nicht aus. Es ist mittlerweile mittags, ca. 13:00 Uhr und ich habe bereits jegliches Gefühl für die Zeit verloren. Grund dafür ist vielleicht die Cola-Wodka-Mische, die ich vor wenigen Minuten geext habe. Wir stehen nun vor einer Bar, die vor Teenies (zwischen 16 und 20) fast überquillt. Aus der Bar dröhnen die gleichen Malle-Lieder, die wir bei meinem Freund zuvor gehört hatten. Kennen tue ich sie nicht, mitsingen kann ich trotzdem.

Wir entschließen uns, die Bar zu betreten. Für 2,50 Euro bekommen wir einen Stempel und den Segen, die Toilette hier den ganzen Tag über verwenden zu dürfen. Hier trinken wir zwei bis drei Altbier pro Person, grölen besoffen die teilweise sehr sexistischen Lieder mit und lachen. Ja, es macht tatsächlich Spaß. Nüchtern garantiert nicht, aber mit Pegel schon.

Danach ziehen wir zur nächsten Bar. Das Bild, das uns umgibt, ist alles andere als schön. Überall liegt Müll, einige Jugendliche liegen besoffen am Boden und es regnet durchgehend. Ein Kulturschock für eine Norddeutsche, die noch nie richtig Karneval gefeiert hat? Definitiv.

Die nächste Bar ist noch voller. Hier tummeln sich die Renates, Brigittes, Joachims und Helmuts. Die Schlange zum Klo ist endlos lang, der Pegel mittlerweile endlos hoch. In dieser Bar ist die Stimmung noch euphorischer, der Gesang noch lauter. Erneut wird mir ein Bier hingestellt. Wer das Bier gekauft hat und was für ein Bier das überhaupt ist, ist unklar. Getrunken wird es trotzdem, denn eins ist klar: Der Pegel muss bleiben!

So langsam nüchtere ich jedoch aus und die Partystimmung geht mir flöten. Mittlerweile sitze ich mit zwei Freundinnen stumpf auf einer Bank, die eine an mich angelehnt. Wir beschließen nach erneutem Toilettenbesuch, dass es Zeit ist zu gehen. Um 17:00 Uhr nehmen wir die S-Bahn nach Hause. Ein anschließender Besuch bei Mecces darf natürlich nicht fehlen. Die Pommes und die plant-based Nuggets haben noch nie so frisch und gut geschmeckt.

Zu Hause angekommen, schauen wir noch etwas Serie, trinken brav die ekelige Elektrolyt-Mischung und gehen gegen 20:00 Uhr schlafen. Wie auf einem sich stetig drehenden Karussell sitzend schlafe ich ein und erwache am nächsten Morgen sogar ohne Kater.

Fazit?

Egal, ob positiv oder negativ – Karneval in NRW ist auf jeden Fall ein Erlebnis, das man einmal im Leben mitnehmen sollte. Wenn nicht für den Spaß, dann für die eiskalte Realität dessen, was Karneval ist: eine alkoholverherrlichende, bunte, lustige, aber auch anstrengende Zeit. Auch wenn ich persönlich kaum rassistische Kostüme entdeckt habe, steht es außer Frage, dass viele Menschen sich anlässlich Karneval immer noch so kleiden. Ob Ureinwohner*in Amerikas, Afrikas oder als Asiat*in: Kostüme, die die Kulturen marginalisierter Gruppen verhunzen, sollten verboten werden. Nach wie vor gilt: Die Kultur eines anderen ist nicht dein Kostüm. Auch auf die sexistischen Lieder könnte verzichtet werden. Bis dahin bleibt Karneval ein zwar unterhaltsames, aber auch kontroverses Fest. Das nächste Mal schaue ich mir Karneval in Kölle an!

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Bildquelle: Quino Al via Unsplash; CC0-Lizenz