Katja Lewina. Bild: Lucas Hasselmann

Katja Lewina hat Bock, Männer zu entschlüsseln

ZEITjUNG: Wo hattest du denn die ganzen Männer her?

Katja Lewina: Die Experten hatte ich irgendwann mal gehört, gesehen oder gelesen und die habe ich dann angefragt, weil ich sie spannend fand. Bei den anderen habe ich darauf geachtet, sie nicht aus meinem direkten Freundeskreis zu generieren, weil ich nicht nur in meiner eigenen Bubble bleiben wollte. Ich habe mit Freunden von Freunden geredet, mal auf Facebook gefragt und auch mal mit Leuten, die ich während des Prozesses gerade erst kennen gelernt habe. Ich habe aber schon auch darauf geachtet, dass es ein bestimmter Schlag von Mensch ist. Also Leute, die Lust haben sich zu hinterfragen und sich vielleicht auch nicht immer in einem klassischen Weltbild aufhalten oder klassische Rollen einnehmen. Was mich interessiert hat, war die Frage, wie man es auch anders machen kann.

ZEITjUNG: Hast du die Männer dann einfach reden lassen oder gab es auch mal Meinungsverschiedenheiten?

Katja Lewina: Ich hatte mir zwar immer Fragen vorbereitet, aber das hat meistens überhaupt nicht funktioniert. Das Beste war tatsächlich, wenn sich ein Gespräch entsponnen hat und wir gesehen haben, wohin es uns bringt. Dabei sind dann auch schönere Situationen rausgekommen als in der klassischen Interviewsituation.

Es gab erstaunlich wenig Meinungsverschiedenheiten, aber es ging mir auch nicht darum, auf eine konfrontative Ebene zu kommen. Ich wollte mit den Männern tiefer graben und das anschauen, was dabei rauskommt. Natürlich habe ich an einigen Stellen gemerkt, da habe ich jetzt ‘ne andere Meinung dazu. Es war aber weniger eine Diskussionsrunde als eher ein Erforschen der eigenen Gedanken und Gefühle.

ZEITjUNG: Du hast dich ja mit sehr vielen verschiedenen Männern getroffen. Gab es einen Favoriten oder vielleicht auch jemanden, wo du zuerst unsicher warst?

Katja Lewina: Ja, zum Beispiel mit Hanno Rother, einem katholischen Priester, der ein ganz anderes Lebensmodell lebt als ich. Auch wenn er ein sehr fortschrittlicher Typ ist, gehört er eben einer Institution an, deren Werte ich überhaupt nicht teile. Trotzdem mussten wir feststellen, wir können total gut nebeneinanderstehen und wir haben auch irgendwie die gleiche Idee vom Leben. Nämlich, dass es eine Freiheitlichkeit geben sollte. Dass jeder von uns die Möglichkeit haben sollte auf die Art und Weise zu leben, die er oder sie für richtig hält.

Ich habe aber insgesamt so viel von den Männern gelernt, darüber wie Männer im Allgemeinen funktionieren, aber auch so ganz spezielle Dinge. Zum Beispiel, als ich mit Christian Müller-Hergl über Sexualität im Alter geredet habe und ich ein Gefühl dafür bekommen habe, wie sehr das Bedürfnis nach Sex die Menschen auch im Alter noch bestimmt.

ZEITjUNG: Männer nehmen Sexualität anders wahr als Frauen. Ist männliche Sexualität das Gegenteil von weiblicher?

Katja Lewina: Ich würde sagen, Männer nehmen Sexualität genau so unterschiedlich wahr wie Frauen. Trotzdem gibt es Bilder und Geschichten, die uns erklären wollen, wie männliche oder weibliche Sexualität zu sein hat. Diese Geschichten sind natürlich komplementär. Er ist aktiv, sie ist passiv, er macht den ersten Schritt, sie folgt nach, er wird befriedigt, sie befriedigt. Die passen natürlich ineinander, aber ich glaube nicht, dass die dem entsprechen, was passiert, wenn wir uns angucken, was denn sonst noch so möglich ist. Was wir eigentlich wollen. Ich glaube auch, dass ganz viele Männer, wenn sie ehrlich zu sich selbst sind, nicht diesen Bildern entsprechen, sondern eher Druck und Unbehagen dadurch erzeugt wird.