Die Kevin-Pauschalisierung: Wieso Namen uns beeinflussen
Die Streberin in der siebten Klasse, die alle anderen in einem schlechten Licht dastehen ließ. Der Lebemann aus dem Mathekurs, der zwar wahnsinnig arrogant, gleichzeitig aber auch der (un-)heimliche Schwarm aller Mädchen war. Und natürlich die schräge Kommilitonin, wegen der niemand auch nur in Erwägung zieht, ein Alumni-Treffen zu organisieren. Sie alle haben uns geprägt und nicht zuletzt auch unsere Vorbehalte bestimmten Namen gegenüber.
„Kennste eine, kennste alle“
Schon Shakespeare wusste: „Ein falscher Name, das ist der Anfang vom Ende.“ Und vielen Namen haften tatsächlich Vorurteile an, gegen die es anzukämpfen gilt: So werden Chantals, Kevins oder Justins nach wie vor als weniger intelligent eingeschätzt. Zusätzlich zu diesen – zum Großteil durch die Medien gestärkten – Klischees sind bestimmte Namen durch persönliche Erfahrungen charakterisiert. Getreu dem Motto „Kennste eine, kennste alle“ sind manche Namen für uns so positiv oder negativ belastet, dass wir unbewusst bereits vor dem persönlichen Kennenlernen einer Person unser Urteil fällen. Dieses Verhalten kennzeichnet uns jedoch nicht als voreingenommen, sondern ist eine völlig natürliche und unbeeinflussbare Reaktion des Gehirns. Namen sind nämlich eigentlich nichts anderes als die Kennzeichnung eines Gegenstandes bzw. in diesem Fall eines Menschen.
Ähnlich wie der Begriff „Auto“ unser Hirn wissen lässt, dass es sich um einen fahrbaren Untersatz mit vier Rädern handelt, gibt ein bestimmter Name das Signal, um welchen Menschen es sich handelt. Zu Beginn eines jungen Lebens ist dies noch relativ unkompliziert. Die erste Lisa oder der erste Jonas haben einen einfachen Stand – da ist noch nicht viel Vergleichsmöglichkeit vorhanden. Die zweite Lisa, die den eigenen Weg einige Jahre später kreuzt, hat je nach Beziehung zu ersterer Lisa eine entweder sehr leichte oder weniger komfortable Ausgangssituation.
Eine Generation voller Nikos
Diese relativ einfache Pauschalisierung wird zunehmend schwieriger, wenn das Phänomen Trendnamen berücksichtigt werden muss. Eine Schulklasse voller Nikos oder Jans kann sehr verwirrend sein: Während Niko A. eigentlich ein ganz netter Kerl ist, klaut Niko B. den jüngeren Schülern auf dem Pausenhof das Butterbrot. In diesem Moment lernt das Hirn zu differenzieren. Oder sollte es zumindest. Denn je nachdem, an welchen Niko einige Jahre später die Erinnerung noch präsenter ist, entscheidet man, ob das Mittagessen geteilt oder versteckt wird.
Namen, die hingegen nicht auf der Trendwelle surfen, sind noch viel enger mit einer bestimmten Person verbunden. So hat für mich bis heute eine Katja ohne Brille keinerlei Daseinsberechtigung. Mit bestimmten Namen gehen einfach bestimmte Attribute einher: Kristins sind leider recht häufig unausgeglichen, Dominiks gibt es nur in Jogginghosen und Ronjas haben grundsätzlich dunkle Haare. Astrid Lindgren ist da Gott sei Dank ganz meiner Meinung. Oder wer beeinflusst hier wen? Denn wie bereits vorab festgestellt: Die Medien sind die eigentlichen Macher der Namensklischees.
Soaps, Filme und Scripted Reality-Formate bringen täglich fiktive Charaktere in unsere Wohnungen, die ganz leicht den Gattungen lässig, naiv oder aggressiv zugeordnet werden können und geben einem Namen ein Gesicht. Tja, oder wer möchte ernsthaft behaupten den Namen „Nemo“ für sein Kind ausgesucht zu haben, ohne von Disney inspiriert worden zu sein? Aber gut, so ist der Junior wenigstens nur der Assoziation mit einem animierten Fisch und nicht mit dem übelriechenden Handball-Jugendtrainer ausgesetzt.
„Nur dein Name ist mein Feind.“
An alle Tinder-User: Wie viele Profilvorschläge habt ihr bereits weg-ge“swiped“, weil euch der Name nicht passte? Keinen? Ein Gedankenspiel: Welcher Kerl würde eine Britney daten, auf die Gefahr hin, diese später seinen Eltern und Freunden vorstellen zu müssen? „Oops!…I Did it again“ wird euch bis ins Grab, mindestens aber bis an den Traualtar verfolgen. Selbige Frage an die Damen der Schöpfung: Jemand Interesse an einem Robbie samt „Angels“-Abo? Sicherlich sind diese Namen in der deutschen Datinglandschaft nicht die häufigsten. Doch das Prinzip ist im persönlichen Einzelfall dasselbe. Wobei auch an dieser Stelle wieder Shakespeare berücksichtigt werden sollte: „Nur dein Name ist mein Feind“. Nicht umsonst zählen Romeo und Julia noch heute zu den als attraktiv geltenden Namen.
Fakt ist: Das wahre Leben ist keine vereinfachte Serien-Welt, in der jeder Name lediglich einmal vergeben wird. Machen wir uns also trotz verwirrender Doppelungen frei von unseren (schlechten) Erfahrungen und gehen möglichst unvoreingenommen an die Sache heran. An alle Lennards: Das gilt nicht für euch! Ihr seid wirklich unten durch – nichts für Ungut.
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Bildquelle: Joe Gardner via Unsplash.com