Sebastian Schramm Krebs Kolumne

Fürs Erste Krebs: Episode #6.2

Solonummer

 

Das Rostocker Kinderwunschzentrum geizt nicht mit den eigenen Erfolgen. An der Wand neben der Anmeldung hängen dutzende Bilder von glücklichen Paaren, zusammen mit ihren Kindern. Auf ihnen die Namen der Babys, manchmal nur ein schlichtes Danke. Ob ich vielleicht irgendwann auch mal hier hänge, fragte ich mich? Meine Eltern waren mit dabei, eine alte Freundin, Jenny, wir kennen uns seit zehn Jahren. Moralische Unterstützung. Der Rest sollte ja sowieso eine Solonummer werden. Ich saß vielleicht zwei Minuten, ich hatte nicht einmal das Cover der Ablenkzeitschrift richtig wahrgenommen, wir lachten darüber, was gleich passieren würde. „Herr Schramm“, sagte die Assistentin, „kann dann losgehen.“ Sie, in blauem Kasack gekleidet, blond mit Brille, überhaupt nicht mein Typ, sagte nicht viel. Sie drückte mir einen kleinen Becher in die Hand, ähnlich wie dem der Urinprobe, mein Name war schon auf ihm verewigt. Sie schloss den Raum auf. „Herr Schramm, das ist ihr Raum. Wenn Sie fertig sind, auf der Toilette ist eine Durchreiche. Da stellen Sie die Probe rein. Danach gehen Sie wieder auf den Gang, setzen sich und drücken auf die Klingel“.

Sie zeigte mir Stuhl und Klingel, sagte zum Schluss noch, sie sei gleich nebenan. Der Raum ist klein, eine lange rote Couch wie in einem schlechten Porno, davor ein Flachbildfernseher, Magazine sah ich nicht, daneben die Toilette, ein Waschbecken, die Durchreiche. Ich musste lachen: „Was zur Hölle machst du hier eigentlich? Wie viele waren wohl vor mir hier schon drin? Sitzen zwei Räume weiter nicht meine Eltern und Jenny?“ Nach der Prozedur stellte ich den Becher in die Durchreiche, schlich regelrecht auf den Flur. Ich setzte mich und wartete kurz. Nicht, dass sich die Frauen im Labor einen Spaß machten. Mal kurz die Stoppuhr laufen lassen: Wer hätte wohl den schnellsten Colt im wilden Westen? Ich drückte die Klingel, die zu meiner Verwunderung Alarm über den ganzen Flur machte. Ich zuckte zusammen. Zum Glück war der Flur gerade leer. Die Laborantin kam heraus und erklärte den Plan. Sie müsse jetzt noch kurz warten, bis sie das Spermiogramm erstellen kann. In einer Stunde sei Auswertung. Zur Überbrückung gingen wir in die Kantine und aßen eine Kleinigkeit, Pasta mit ein bisschen Pesto. Kohlenhydrate sollen die Speicher wieder auffüllen, habe ich jedenfalls mal gelernt. Vorher wäre wohl besser gewesen.