Streitthema Kulturelle Aneignung: Alles nur geklaut?

Andere Kulturen kennenzulernen und die eigene zu teilen, ist an sich etwas Schönes. Man lernt neue Traditionen kennen, die zu einem besseren Verständnis der Unterschiede zwischen den Kulturen führen. Aber wie so oft gibt es auch hier eine Grenze: Was ist kulturelle Aneignung, was Wertschätzung?

Kulturelle Wertschätzung

Die Wertschätzung von Kulturen, die sich von der eigenen unterscheiden, beinhaltet den Wunsch nach einem tieferen Verständnis. Dabei geht es besonders um einen respektvollen und rücksichtvollen Umgang. Durch diese Wertschätzung entsteht die Möglichkeit, kulturelles Bewusstsein auszutauschen. Wichtig ist, dass das Lernen über eine andere Kultur in einem Rahmen stattfindet, in dem Mitglieder jener Kultur tatsächlich dazu auffordern. Es geht nicht darum, die fremden Traditionen auf- und selbst anzunehmen, sondern vielmehr darum, etwas über sie zu lernen. Ein gutes Beispiel ist eine kulturelle Veranstaltung an einer Schule. Den Schüler*innen werden somit verschiedene Kulturen näher gebracht. Sie haben die Möglichkeit, ihre eigenen kulturellen Hintergründe zu teilen und etwas über andere Kulturen zu erfahren. Die Veranstaltung könnte traditionelle Speisen, Musik und Tanzvorführungen beinhalten und dazu beitragen, das Verständnis und den Respekt für verschiedene Kulturen zu fördern.

Kulturelle Aneignung

Überschreitet man allerdings die dünne Linie, lässt sich schnell von kultureller Aneignung sprechen. Diese basiert oft auf schon bestehenden Machtstrukturen. Das bedeutet, dass Menschen einer dominanten Gesellschaftsgruppe sich beispielsweise an Mode, Haarstilen oder Musik einer Minderheitskultur bedienen, ohne dabei deren historische oder religiöse Bedeutung zu verstehen oder zu respektieren. Oftmals ist man hierbei auf Profit oder Publicity aus. Ohnehin schon ausbeuterische Verhältnisse werden somit auf kultureller Ebene fortgeführt. Ein Beispiel für kulturelle Aneignung könnte die kommerzielle Verwendung traditioneller indigener Designs in der Modeindustrie sein. Meistens wird sich daran bedient ohne dabei die Bedeutung der Designs und der Kultur, aus der sie stammen, angemessen zu würdigen oder die Gemeinschaften zu entlohnen.

Wie gehe ich damit am besten um?

Genaue Richtlinien gibt es natürlich nicht. Generell sollte man anderen Kulturen immer mit Respekt begegnen und aus Interesse mehr erfahren wollen, nicht aus eigennützigen, profitorientierten Gründen. Manchmal kann das schwierig sein, da kulturelle Aneignung auch subtil und komplex sein kann und nicht immer offensichtlich ist. Es ist daher wichtig, sich über die Kulturen zu informieren und sicherzustellen, dass man diese würdigt, anstatt sie zu übernehmen oder sogar auszubeuten. Einige Leitfragen wären zum Beispiel:

  • „Weiß ich genug über diese Kultur, um ihre Praktiken oder Symbole zu verstehen?“
  • „Würde meine Verwendung dieser Praktiken die eigentliche Bedeutung verzerren oder entwerten?“

Zum Abschluss ein kleines Praxisbeispiel: 

Du wirst während eines Auslandsjahres von deiner Gastfamilie zu einem traditionellen Fest eingeladen. Deine Gasteltern bieten dir traditionelle Kleidung an – somit hast du die Erlaubnis und die Möglichkeit, der Kultur mit Respekt zu begegnen. Beim nächsten Faschingsfest zu Hause solltest du diese Kleidung allerdings auf keinen Fall als Kostüm nutzen. 

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Bildquelle: Manjeet Singh Yadav via Pexels, CC0-Lizenz