Historische Filme und Serien: Warum die Stereotype aufhören müssen

Am 21. April 2022 startete das Wikingerepos The Northman in den deutschen Kinos. Ein voller Erfolg: der Actionfilm, der die dänische Amletus-Sage nacherzählt, wurde von alles Seiten in den höchsten Tönen gelobt. Ob Feuilleton oder Reddit – alle waren begeistert von der spektakulären Inszenierung und dem abwechslungsreichen Cast um Alexander Skarsgård. Besonders bejubelt wurde die Authentizität, mit der die zwar kriegshungrigen, aber trotzdem zivilisierten Wikinger dargestellt wurden. Damit macht der Film etwas richtig, was viele seiner Vorgänger gerne versäumen: er ist historisch akkurat.

Gerade im Zeitalter von Desinformationen ist das verdammt wichtig. Kein Medium kann unsere Wahrnehmung von vergangenen Zeiten und fremden Kulturen so sehr prägen wie Filme und Serien. Klar, wir schauen sie in erster Linie wegen der Charaktere, wegen des Plots und der Dialoge, am Ende bleibt trotzdem von der Welt drumherum einiges hängen. Das Problem: die meisten Filmemacher haben selbst keine Ahnung von den kulturellen Gegebenheiten anderer Länder. Deswegen greifen Hollywood-Regisseure immer auf die gleichen Stereotype zurück:

Nur das nötigste darstellen

So zum Beispiel, als sich das dynamische Disney-Duo John Musker und Ron Clements 1992 für Aladdin in den nahen Osten wagten. Architektur, Kleidung und Bräuche der fiktiven Stadt Agrabah, in der die Geschichte spielt, sind aus verschiedenen Ländern und Kulturen der arabischen Halbinsel zusammengewürfelt. Allgemein wird die Gegend so primitiv dargestellt, dass selbst der Erzähler findet, dass es dort alles andere als gesittet vorgeht. „It’s barbaric, but hey, it’s home.“

Dass es kulturell mindestens unsensibel ist, alle von Ägypten bis Iran auf ein Arabien zu reduzieren hat auch der Mickey-Konzern mittlerweile eingesehen. Disney hat einige Textzeilen abgeändert und wenn man den Film bei Disney+ streamen will, läuft vorher ein kurzer Disclaimer, dass die Darstellung nicht mehr zeitgemäß ist. So progressiv das auch sein mag, so wird es wahrscheinlich trotzdem nichts an dem einseitigen und rückständigen Bild ändern, das der Film noch immer vermittelt und in den letzten 30 Jahren vermittelt hat.

Es geht aber auch anders

Was allerdings dabei herauskommt, wenn ein Regisseur wirklich Wert auf Authentizität legt, zeigt zum Beispiel City of God, für den ein Großteil der Schauspieler*innen in echten Slums von Rio de Janeiro gecastet wurde. Das brasilianische Drama zeigt hautnah, wie es ist, in den Favelas der 60er voller Armut und Dreck aufzuwachsen, ist dabei aber weder herabwürdigend noch oberflächlich. Die Bewohner der Elendsviertel sind auch nicht wild oder primitiv, sie sind Opfer unglücklicher Umstände. Es sind Filme wie diese, durch die wir das Leben in anderen Ländern wirklich verstehen lernen.

Das zeigt, eigentlich gibt es keinen besseren Ort als Film und Fernsehen, um ein Licht auf die Orte der Welt und Momente der Geschichte werfen, denen sonst weniger Beachtung geschenkt wird. Das ganze darf nur nicht auf dem Rücken derer passieren, die ohnehin schon falsch verstanden werden. Wie wir bei The Northman und City of God sehen, bewegt sich in Hollywood einiges. Auch Disney (und Musker und Clements) bemühen sich einiger Zeit, den Kulturen ihrer Protagonisten den verdienten Respekt zu zeigen. Und sind wir ehrlich: das wurde auch höchste Zeit.

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Bildquelle: Ted McDonnell via Pexels; CC0-Lizenz