Eine Frau und ein Mann sitzen auf einem Sofa und gucken Fernsehen.

Comfort-Binge: Warum wir emotional abhängig von unserer Lieblingsserie sind

Ich mache es mir auf der Couch gemütlich und scrolle durch die unzähligen Angebote von Filmen und Serien auf Netflix. Nach einer halben Stunde gebe ich seufzend auf, – dann wohl doch wieder eine Folge Friends oder Gilmore Girls. Da weiß man schließlich auch genau, worauf man sich einlässt und wird nicht enttäuscht.

Dieser allabendliche Ablauf ist bekannt unter dem Ausdruck Comfort-Binge. Diesen Begriff hat die Autorin Alexis Nedd geprägt, die das Phänomen von der amerikanischen Idee des Binge-Watching – also eine Folge einer Serie nach der anderen zu schauen – ableitet. Beim Comfort-Binge handelt es sich im Gegensatz zum Binge-Watching allerdings nicht um neue Filme und Serien, sondern um altbewährte. Dabei sucht man weder nach einer überraschenden oder fesselnden Handlung, sondern will sich von vertrauten Personen und Handlungssträngen berieseln lassen. Alexis Nedd formuliert das als: „[…] minimaler Aufwand für das größtmögliche Vergnügen.“

Angst vor Entscheidungen

Aber woher kommt dieses Phänomen? Warum haben wir Angst vor etwas Neuem? Zum einen könnte man sich den Abend mit einem schlechten Film oder einer langweiligen Serie schnell verderben. Bei vertrauten Serien wie How I Met Your Mother kann man sich mental auf das Gefühl vorbereiten, dass einen erwartet. Dieses Gefühl vermittelt uns Geborgenheit und Sicherheit, was wir nach einem stressigen Tag auf der Arbeit vielleicht gebrauchen können. Des Weiteren formuliert der US-Psychologe Barry Schwartz in einem TED-Vortrag das Prinzip des Paradoxon der Wahlmöglichkeiten. Damit erklärt er den Zuschauer*innen das Phänomen der Entscheidigungsunwilligkeit. Die riesige Auswahl auf Netflix stellt uns vor eine unmögliche Entscheidung: Wie soll ich zwischen all den Optionen die richtige Wahl treffen? Der Psychologe erklärt, je besser die Auswahlmöglichkeit ist, desto schwieriger fällt die grundsätzliche Entscheidung. Damit wir uns damit nicht weiter auseinandersetzten müssen, greifen wir lieber auf Dinge zurück, die sich in der Vergangenheit bereits als lukrativ erwiesen haben – mehr zu diesem Thema findet ihr hier.

Emotionale Abhängigkeit

Neben der vertrauten Handlung gibt es einen weiteren Fakt, der für die Lieblingsserie spricht: die Figuren. Als Zuschauer*in verfolgt man das Geschehen auf dem Bildschirm nämlich nicht passiv, sondern interagiert mit den Darsteller*innen. Daraus kann eine einseitige Beziehung entstehen. Diese parasoziale Beziehung ist der Bindung mit Personen aus dem eigenen sozialen Umfeld oder Alltag sehr ähnlich, obwohl sie lediglich ein Zusatz ist – (meistens) wissen die Zuschauer*innen, dass die Bindung nicht real ist. Die altbekannten Figuren sind also wie Freund*innen, die einem das Gefühl von Geborgenheit, Zuwendung und Komfort geben. Bei einem neuen Film oder einer neuen Serie müsste man erst Aufwand betreiben und eine solche Beziehung zu den Figuren aufbauen. Außerdem kann man bei vertrauten Handlungen gleichzeitig noch andere Dinge machen und muss nicht die ganze Zeit hoch konzentriert bei der Sache bleiben – anders verhält es sich beim erstmaligen anschauen von Game of Thrones – zwei Sekunden weggeguckt und schon ist jemand tot. Zum Entspannen lohnen sich dann doch eher andere Serien.

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Bildquelle: Foto von cottonbro von Pexels; CC0-Lizenz