Paradox of Choice: Wenn die Auswahl zu groß wird

Warum es so schwer ist, sich auf Netflix für einen Titel zu entscheiden

Mit Thomas Shelby im Jahr 1919 durch das noch vom ersten Weltkrieg gezeichnete Birmingham, mit Lady Whistledown sich durch die englische High-Society bewegen, mit dem grimmigen, aber liebenswürdigen Geralt von Riva Monster töten, oder Menschen dabei zuzusehen, wie sie versuchen müssen ihrem exorbitanten Sex-Appeal zu widerstehen – all das ist auf Netflix per Knopfdruck möglich. Doch genau diese Vielfalt kann auch zum Problem werden.

Hand aufs Herz, es gibt (fast) nichts Besseres als eine Serie zu finden, von der man sich kaum mehr lösen kann – eine Serie, in der man regelrecht mitfiebert und in den kurzen Pausen während des Essenholens schon nachdenkt, wie es denn mit Samuel aus Élite oder dem französischen Meisterdieb Assane Diop in Lupin weitergeht. 

Das Problem: Während man all die Folgen dem Höhepunkt entgegenfiebert, ist dieser immer zu schnell vorbei. Dann ist da nur noch diese Leere. Entweder muss man mindestens ein Jahr warten, bis die nächste Staffel rauskommt, oder die Serie ist sogar ganz zu Ende. 

Doch wie füllt man diese Zeit danach? Kein Problem, denkt man sich. Schließlich beinhaltet Netflix rund 4000 Filme und 1900 Serien. Genug also, um ein ganzes Leben damit zu füllen. 

Die Fernbedienung mit neuem Tatendrang gepackt, die Mediathek geöffnet und… nichts. Man findet sich in einer Endlosschleife des ewigen Scrollens, Klickens und Trailer-Schauens wieder. Schnell wird so die Suche nach einer neuen Serie zu einem abendfüllenden Programm, die einen am Ende dann doch so oft unbefriedigt und ohne neue Serie oder Film zurücklässt. Und selbst wenn man sich fest vornimmt, einfach den nächsten Titel auf der Watchlist anzuklicken, ist da dieses unbehagliche Gefühl, die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Aber warum fällt uns diese Entscheidung so schwer?

Paradox of Choice

Das „Paradox of Choice“, auf Deutsch das Auswahlparadox, geht auf eine Studie aus dem Jahr 2000 zurück. In einem experimentellen Versuchsaufbau stellten die Wissenschaftler*innen Sheena Iyengar und Mark Lepper an zwei Samstagen Probiertische mit verschiedenen Marmeladensorten in einem ausgewählten Supermarkt in Kalifornien auf, die sie den Kunden später verkaufen wollten. Die Anzahl der Sorten variierte dabei immer zwischen sechs bis 24 Stück. Bei einer Auswahlmöglichkeit von 24 Stück probierten 60 Prozent der Proband*innen mindestens eine Sorte, allerdings kauften auch nur 3 Prozent am Ende ein Glas. Bei der kleineren Sortenanzahl hingegen testeten nur 40 Prozent der Kund*innen mindestens eine Sorte, dafür kauften ganze 30 Prozent am Ende auch ein Glas. 

Basierend auf diesen Ergebnissen lässt sich argumentieren, dass eine größere Auswahl gleichzeitig die Angst von Menschen erhöht, die falsche Entscheidung zu treffen. Um dieses Angstgefühl zu umgehen, vermeiden viele deswegen es komplett sich zu entscheiden.