Fleischspieße

Fleisch aus dem Labor: Eine Revolution für die Lebensmittelindustrie?

Die Forschung im Bereich Laborfleisch schreitet immer weiter voran. Gerade für die Umwelt wäre diese Alternative ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt wurde einem US-amerikanischen Unternehmen die Produktion von Hähnchenfleisch im Labor erlaubt. Welche Auswirkungen hat das auf den europäischen Markt?

Was ist Laborfleisch?                                                                     

Das Konzept von Fleisch aus dem Labor wird besonders seit den letzten zwei Jahrzehnten intensiv erforscht. Laborfleisch, auch In-vitro-Fleisch oder kultiviertes Fleisch genannt, entsteht durch eine gezielte Gewebezüchtung. Anhand einer Biopsie werden Tieren bestimmte Zellen aus dem Muskelgewebe entnommen. In einem Bioreaktor werden die Stammzellen anschließen kultiviert – anhand eines Nährmediums. In dieser Kultur teilen und vermehren sich die Zellen stetig, wodurch ein Muskelgewebe entsteht, welches mit seiner faserigen Textur dem Fleisch eines natürlichen Tieres sehr ähnelt. Auch Fettgewebe kann mittlerweile im Labor erzeugt werden. Der Geschmack gleicht dem von „natürlichem“ Fleisch.

Welche Vorteile hat Fleisch aus dem Labor?

Diese neue Art der Fleischproduktion hat einerseits das Potenzial, Millionen von Tieren vor einem grausamen Leben und Tod zu bewahren. Jedes Jahr sterben ca. 70 Milliarden Landtiere und eine noch größere Menge an Meerestieren für den Konsum. Oftmals wachsen diese Tiere in der Massentierhaltung heran, in der sie furchtbaren Lebensbedingungen ausgesetzt sind. Auch auf die Gesundheit der Endverbraucher*innen hat dies negative Auswirkungen. Hinsichtlich der Gesundheit der Konsument*innen besteht ein weiterer Vorteil von kultiviertem Fleisch darin, dass dieses keine Wachstumshormone enthält, welche in der traditionellen Fleischindustrie meist vorzufinden sind. Diese Wachstumshormone können sich laut zahlreichen Studien negativ auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Generell lassen sich Krankheitserreger und Giftstoffe im Labor leichter überwachen und fernhalten. 

Zudem könnte der negative Einfluss auf die Umwelt durch die Fleischindustrie reduziert werden. Heute werden etwa 26 Prozent der Landfläche der Erde zur Viehhaltung oder zum Futteranbau für die Tiere genutzt. Dabei ist lange bekannt, wie schädlich die Viehhaltung für die Umwelt und das Klima ist. Wälder werden abgeholzt, um mehr Nutzfläche für die Industrie zu schaffen. Besonders der Amazonas in Brasilien ist davon betroffen. Auch kommt es zu enormen Luft- und Wasserverschmutzungen. Studien haben ergeben, dass Laborfleisch, wenn es mit erneuerbaren Energien produziert wird, einen beträchtlich geringeren CO2-Fußabdruck hinterlassen würde. Im Moment kommen diese Technologien allerdings noch nicht zum Einsatz und es werden weiterhin fossile Brennstoffe benötigt. Festzuhalten ist jedoch, dass Laborfleisch nicht nur weniger Fläche benötigt und somit die Entwaldung eindämmen könnte, sondern es auch weniger Wasser während der Produktion bedarf. Für den Klimaschutz könnte die Alternative Laborfleisch dringend nötig sein.  

Zulassung in den USA

Vor ein paar Tagen hat die FDA (spr.: The US Food and Drug Administration) dem kalifornischen Unternehmen „Upside Foods“ genehmigt, in Zukunft Hähnchenfleisch aus dem Labor verkaufen zu dürfen. Bevor der Verkauf starten kann, müssen das Produkt selbst sowie die Einrichtungen des Unternehmens vom U.S. Department of Agriculture inspiziert werden. Expert*innen gehen davon aus, dass dies in den nächsten Monaten geschehen sollte. Nach Singapur wäre die USA somit das zweite Land, in dem Laborfleisch legal an Verbraucher*innen verkauft werden darf. Ein FDA-Mitarbeiter bezog dazu wiefolgt Stellung: “The world is experiencing a food revolution and the US Food and Drug Administration is committed to supporting innovation in the food supply.”

Diese Nahrungsrevolution scheint auch in anderen Ländern Anklang zu finden. Der Fleischatlas 2021 der Heinrich-Böll-Stiftung zeigt, dass die Menschen in Deutschland 2019 bereits 26.000 Tonnen Fleischersatzprodukte kauften, während es noch 2012 nur ca. 11.000 Tonnen waren. Ein Trend weg vom herkömmlichen Fleischkonsum ist also absehbar. Auch internationale Unternehmen beteiligen sich mit monetärer Hilfe an Startups und Pionierunternehmen.

Zieht die EU nach?

In Europa liegen die niederländischen Unternehmen „Mosa Meat“ und „Meatable“ in der Forschung zu bzw. Herstellung von Laborfleisch weit vorn. Die Europäische Union hat jedoch vor ein paar Jahren gesetzliche Vorschriften für „neuartige Lebensmittel“ beschlossen, welche den Markteinstieg von kultiviertem Fleisch noch etwas verzögern könnten. Die Hersteller müssen die Sicherheit und Verträglichkeit ihrer Produkte nach wissenschaftlichen Standards nachweisen können. Expert*innen des Good Fodd Institute geht jedoch davon aus, dass die ersten Zulassungs-Dossiers bei der EU-Kommission bald eingereicht werden.

Hierzulande wird davon ausgegangen, dass Laborfleisch eher junge Menschen ansprechen wird, da diese generell ein größeres Interesse an Nachhaltigkeit haben. Eines der bisher größten Probleme ist jedoch die Höhe der Produktionskosten. Ein Kilogramm des kultivierten Fleisches kostet in der Herstellung ungefähr 15 US-Dollar, in Deutschland würde dieselbe Menge an herkömmlichem Fleisch im Vergleich nur 1,83 US-Dollar kosten. Bei vielen Verbraucher*innen würde damit spätestens beim Blick aufs Preisschild die Entscheidung auf das herkömmliche Fleisch fallen. Wie sich Kund*innen am Ende entscheiden, soll ihnen überlassen sein. Es steht jedoch fest, dass sich beide Fleischsorten sowohl in der Konsistenz als auch im Geschmack kaum unterscheiden. Einzig und allein der fade Beigeschmack des Tierleids würde wegfallen.

Mehr Themen:

Folge ZEITjUNG auf FacebookTwitter und Instagram!

Bildquelle: Quang Nguyen Vinh via Pexels; CC0-Lizenz