Laura Fürst basketball

Laura, 27, spielt Rollstuhlbasketball in der Nationalmannschaft

An einem sehr warmen Dienstagmorgen fühlt es sich vor dem Café unter Kastanien fast ein bisschen wie Wochenende an. Wenn es nicht Arbeit wäre. Aber das hier ist die gute Art von Arbeit. Unsicher stelle ich die Stühle so um, dass ein Rollstuhl genügend Platz hat. Als sie angefahren kommt, winke ich ihr zu. Sie kommt am Tisch an und sagt lachend: „Ja, es hat auch Vorteile – mich erkennt man wenigstens schnell.

Laura Fürst sitzt seit einem Unfall in den USA vor zehn Jahren, als sie mit einem Snowmobil gegen einen Baum fuhr, mit einer inkompletten Querschnittslähmung im Rollstuhl. Das ist aber nicht der Grund für unser Treffen. Die 27-Jährige spielt sehr erfolgreich Rollstuhlbasketball. Sie war 2016 bei den Paralympics in Rio de Janeiro dabei und vertritt im August Deutschland bei der WM in Hamburg. Ich habe also Glück, dass sie überhaupt eine Stunde Zeit findet.

Doch bevor ich ein schlechtes Gewissen bekommen kann, weil ich sie vom Training abhalte, erzählt sie mir, dass sie sich in einer Stunde auf den Weg zum Ammersee macht, um dort Rad zu fahren. Denn im Moment hat sie mehr Freizeit als sonst: Sie hat nach acht Jahren Maschinenbau-Studium vor kurzem ihre Masterarbeit abgegeben.

 

Wie kommt man zum Rollstuhlbasketball?

 

Nach meinem Unfall bin ich recht schnell in eine Unfallklinik gekommen, die sich auf Querschnittslähmungen spezialisiert. Die Betreuung war wirklich super und ein großer Bestandteil der Reha war eben der Sport. Rollstuhlbasketball ist tatsächlich der bekannteste Sport, das machen sehr viele„, erzählt sie mir. Laura hat das ganze Gespräch hindurch ein Lächeln auf den Lippen und ein Strahlen in den Augen. Über ihren Unfall spricht sie in einer nüchternen, selbstverständlichen Art und verliert dabei das Strahlen nicht. Es geht schließlich um ihre Leidenschaft. „Im Fußgänger-Basketball war ich immer ziemlich schlecht. Doch plötzlich war die Lernkurve sehr groß. Ich bin auf der Reha dem Sport verfallen und habe damit eine neue Leidenschaft kennengelernt.

In der Rollstuhlbasketballgruppe in der Klink trainieren auch Leistungssportler. Wenn man frisch verletzt in der Klinik ist und dann sieht, wie perfekt sie ihr Leben meistern, hat das einen tollen Effekt. Man bekommt vorgelebt, wie einfach es doch sein kann und dass alles möglich ist.“ Mit ihrer neuen Leidenschaft hat sie während des Abiturs beim USC München trainiert. Dann wurde eine U25 Nationalmannschaft gegründet, mit der sie zur Weltmeisterschaft nach Kanada geflogen ist. Seit 2014 ist spielt sie in der A-Nationalmannschaft und im letzten Jahr ist sie mit dem RBB München in die 1. Bundesliga aufgestiegen.

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Viel Ehrgeiz, viel Disziplin

 

Gerade steckt sie mitten in den Vorbereitungen für die Weltmeisterschaft. „Wir waren eine Woche in England bei einem Turnier und im Mai zwei Wochen im Trainingslager in Australien. Das war ein super Kick-Off für die WM Vorbereitung. Ansonsten bin ich jedes Wochenende im Trainingslager bei unserem Bundestrainer in Bonn„, erklärt sie mir. Die Stimmung sei wenige Wochen vor Beginn am 16. August sehr gut: „Die Vorbereitungsspiele waren gemischt, aber alle freuen sich riesig auf die Heim-WM!“ Aber unter der Woche trainiert sie natürlich auch, Basketball und Muskeln. Denn die braucht es, um im Basketball voranzukommen.

Ich merke, mit wie viel Ehrgeiz Laura dabei ist. Ohne den hätte sie es aber vermutlich nicht dahin geschafft, wo sie jetzt ist. „Sobald man sich vollkommen mit dem Sport identifiziert und ihn liebt, hat man auch Chancen. Aber natürlich bedarf es viel Training. Man investiert viel Zeit, aber der Weg zahlt sich aus„, sagt sie. Unser eins bekommt manchmal nichts von beidem hin. Aber wir haben möglicherweise auch noch nicht diese Art von Leidenschaft gefunden. „Mir gibt der Sport einfach verdammt viel. Wenn ich in die Halle gehe, bin ich glücklich. Wenn man daraus seine Energie schöpft und dann zusätzlich noch solche Erfolge erlebt, bringt das einem sehr viel Kraft, sodass man alles durchsteht und weitermacht.

Bei all der Disziplin könnte ich mich schlecht fühlen. Tue ich aber nicht, denn vorher steckt mich diese energiegeladene, junge Frau mit ihrer positiven Art an. Als ich ihr sage, wie sehr man ihr die Begeisterung und den unbändigen Ehrgeiz anmerkt, lacht sie nur.

 

Erfahrungen wie Rio helfen

 

Doch auch Laura scheint Momente zu haben, in denen ihr die Motivation fehlt. Aber Spitzensportler wie sie haben da natürlich ihre Tricks: „Diese Momente, die ich in Rio erlebt habe, haben mir jedes Mal geholfen, wenn ich am Morgen gezweifelt habe, wirklich vor der Uni noch ins Training zu gehen. Wenn ich an Rio denke, weiß ich wieder, wieso ich das mache.

Als sie mir von den Paralympics 2016 erzählt, leuchten ihre Augen noch ein kleines bisschen mehr. Wenn das überhaupt geht. „Ich kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich dran denke„, sagt sie. „Unser erstes Spiel war gleich gegen Brasilien. Wir waren die dominierende Mannschaft und trotzdem ist mir das Herz in die Hose gerutscht, als ich eingewechselt wurde.“ Auch die Brasilianer sind ihr besonders im Gedächtnis geblieben: „Als das Spiel vorbei war und wir kurz unsere Familien sehen konnten, waren überall Fans, die gefeiert, getanzt und uns gratuliert haben. Die Brasilianer sind ein emotionales Volk – im Stadion sehr emotional gegen uns und danach sehr herzlich zu uns.

Nach Hause gekommen ist sie mit einer Silbermedaille. „Das letzte Spiel zu verlieren ist natürlich bitter. Danach war ich erst enttäuscht, aber schon nach ein paar Minuten war ich einfach nur begeistert und unglaublich stolz.

 

Rollstuhlbasketball für alle

 

Laura hat beides: In der Bundesliga spielt sie in einer gemischten Mannschaft, die Nationalmannschaft besteht nur aus Frauen. Sie gibt zu: „In der gemischten Mannschaft ist es manchmal einfacher, weil man Dinge direkter sagen kann. Dafür muss man aber auch einstecken können. In der Frauenmannschaft habe ich dafür eine ganz andere Rolle.“ Wieso das? Was sie mir dann erzählt, überrascht mich.

Denn Rollstuhlbasketball spielen nicht nur Rollstuhlfahrer. Beim RBB München hat sie zwei Teamkollegen, denen gar nichts fehlt. In der Nationalmannschaft ist eine sogenannte Minimalbehinderung Voraussetzung. Da ist zum Beispiel eine 25-Jährige, die vom Fußgänger-Basketball bereits vier Kreuzbandrisse und einen kaputten Meniskus mitbringt. Damit alles fair bleibt, gibt es ein spezielles Punktesystem.

Die, denen gar nichts fehlt, zählen 4,5 Punkte. Ein kompletter Querschnitt zählt 1 Punkt. Und dann muss das Team aus fünf Leuten so zusammengestellt werden, dass 14,5 Punkte nicht überschritten werden. „Dadurch kann man Frauen einen Bonus geben. Wenn ich nur mit Frauen spiele, habe ich 2 Punkte. In der Männermannschaft bekomme ich einen Bonus und habe nur noch 0,5 Punkte. Das hat einfach mit der unterschiedlichen Physis zu tun. Aber so habe ich unterschiedliche Rollen in den Mannschaften„, erklärt mir Laura.

Der Rollstuhl ist hier ein Sportgerät, nicht mehr und nicht weniger. „Das Schöne ist, dass Behinderung da kein Thema mehr ist. Wir machen einfach alle zusammen Sport„, ergänzt sie. Und genau darum geht es schließlich: Dass eine Behinderung im zwischenmenschlichen Umgang nicht weiter wichtig ist.

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Und wohin mit dem Ehrgeiz?

 

Als erstes ist das Ziel eine gute Heim WM zu spielen und mit unserer Mannschaft dort oben anzugreifen. Dann sind natürlich aber auch die Paralympics in Tokyo auf jeden Fall ein Traum, den ich habe. Seit Rio hatten wir einen Umbruch im Team, mit dem sich auch meine Rolle geändert hat. Ich bin inzwischen Co-Kapitänin und habe mehr Verantwortung“, erzählt sie.

Im Oktober wird sie ihren Job bei BMW anfangen. Aber Aufhören kommt nicht in Frage. Für die Bundesliga kann sie abends trainieren, die Spiele sind sowieso am Wochenende. Und für die Wochen mit der Nationalmannschaft will sie Urlaub und Überstunden nutzen. „Es schlagen eben zwei Herzen in meiner Brust. Ich wollte auch keinen Job machen, der nur so halb gut ist.. Aber ich glaube schon, dass ich das kombiniert bekomme.

Da bin auch ich mir sehr sicher. Als ich die Aufnahme stoppe, trinken wir noch unseren Kaffee aus und quatschen ein bisschen, wie Mädels eben quatschen. Am Ende ist sie eine 27-Jährige wie jede andere auch, die aber sehr genau weiß, was sie will.

 

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Bildquelle: (c) Laura Fürst