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„Let’s Talk About Sex, Habibi“ – Teil zwei des Interviews mit Mohamed Amjahid

„Let’s Talk About Sex“, Baby, ist ein sehr bekannter Nostalgiehit, der sich auf all die guten und schlechten Dinge bezieht, die passieren können. Dass Sexualität aber sehr viel mehr als das sein kann, zeigt „Let’s Talk About Sex, Habibi“ von Mohamed Amjahid.


Bei der einhelligen Meinung, Sex vor der Ehe wäre problematisch – wie lernt man sich in nordafrikanischen Gefilden kennen?

Eins zu eins wie hier über Apps. In einigen Teilen in Nordafrika vielleicht sogar verstärkter als hier, weil die Apps einen sehr krassen Kontrast zur traditionellen Art des Datings bieten, wo sonst die Tante sagt: „Da ist ein Nachbarsjunge oder –mädchen, guck doch mal.“ Die jungen Leute bewegen sich hin zur Meinung: „Ich möchte selbstbewusst entscheiden, mit wem ich den Rest meines Lebens verbringe.“

Wir waren auch alle mal 16 und die Leute gucken genauso wie wir damals Bollywood und Hollywood und haben vielleicht die Flamme im Gymnasium. Das mischt sich so mit diesen klassischen Wegen, an eine*n Partner*in zu kommen. Was auf jeden Fall stark zugenommen hat, ist das Hinterfragen von sexuellen Konventionen wie zum Beispiel das Verbot von vorehelichem Sex. In Marokko oder Tunesien gibt es Gesetze, die Sex vor der Ehe nicht nur kritisieren, sondern auch dagegen ankämpfen. Es sieht aber so aus, als ob das bald gekippt wird.

Man muss dazu sagen, dass die sexualitätsfeindliche, genussfeindliche Gesetzgebung oftmals eine koloniale Gesetzgebung ist – und / oder konservativ-islamistische Gesetzgebung. In Ägypten kommt aber auch hinzu, dass die christliche Minderheit sehr stark geleitet wird von den eigenen Wertvorstellungen, die alles andere als sexpositiv sind. Es ist nicht immer nur eine islamische Diskussion, sondern es gibt auch andere konservative Barrieren, dass junge Leute ihr Sexleben nicht auskundschaften können.

Ich kenne so viele Leute in meinem Alter oder jünger als ich, die ihre Partner*innen über Apps oder Datingseiten kennengelernt haben. Und das über Grenzen hinweg: Ich kenne eine Person, die gesagt hat, sie wollte unbedingt nach Schweden auswandern. Dann hat sie sich eine Partnerschaft in Schweden gesucht und jetzt ist sie dort. Und ich meinte: „Da scheint manchmal nicht die Sonne, ist das eine richtige Entscheidung?“ Ich weiß es nicht! (lacht)

Ich habe festgestellt, wenn ich zurück nach Marokko, Tunesien, Ägypten gegangen bin: Viele Frauen sind sehr strategisch in der Art und Weise, wie sie daten. Sie wollen etwas und sie holen es sich. Sowohl queere Frauen, als auch heterosexuelle Frauen. Manche haben den Plan: „Ich möchte unbedingt einen reichen Mann aus Dubai!“ Und dann holen sie sich einen reichen Mann aus Dubai. Oder sie sagen: „Ich möchte unbedingt meine Jugendliebe heiraten. Meine Mutter findet das nicht gut, aber ich mach das jetzt trotzdem!“ Und das passiert dann auch.

Weil Sie gerade schon sagten, wir waren alle mal 16: Sie berichten beispielsweise, wie ein Onkel Sie in jungen Jahren mit in einen Stripclub genommen hat. Wie sehr muss man sich freimachen von Scham, wenn man solche Erlebnisse aus früher Jugend öffentlich aufarbeitet? War es für Sie leicht, intime Details offen in Ihrem Buch zu thematisieren?

Als Autor musste ich schon einmal den Laptop wegpacken und mich fragen: „Möchte ich das wirklich oder möchte ich das nicht? Möchte ich beschreiben, wie ich Petting gemacht habe in der dunklen Gasse oder nicht?“

Was ich aber versuche, ist, über diese Anekdoten die Leute zu motivieren sich mit wichtigen Themen, politischen Themen auseinanderzusetzen. Die Anekdoten helfen mir dabei, Dinge zu thematisieren, die für mich als politischer Autor total wichtig sind, zum Beispiel emanzipatorische Diskurse.

Dadurch war das das Buch, bei dem ich am meisten über mich auch selbst gelacht habe! Das klingt jetzt etwas gaga, aber ich habe teilweise Lachkrämpfe bekommen. Als das Lektorat angefangen hat, hat meine Lektorin die ganze Zeit nur diese Lachemoji mit den Tränen an die Seite gesetzt – und ich auch. Ich hatte auf jeden Fall eine gute Zeit. Aber es ist für mich schon eine Überwindung gewesen, auch so viel Persönliches zu teilen.